- Politik
- Fairer Handel
Kaffee ohne Kommerz
In einem Pilotprojekt arbeitet eine kollektivbetriebene Rösterei direkt mit Kleinbauern zusammen
Andreas Felsen steht an der Röstmaschine und lässt aus einem funkelnden Metalleimer bereits geröstete Kaffeebohnen aus Äthiopien in das Kühlsieb rieseln. Dort drehen die noch heißen Bohnen aus Kolumbien und Peru ihren Runden, die gerade die Röstmaschine nach rund 15 Minuten verlassen haben. «Wir blenden unseren X-Roast auf diesem Weg, weil der Kaffee aus Äthiopien eine deutlich kürzere Röstzeit hat als die Bohnen aus Kolumbien und Peru», erklärt Felsen. Schließlich ist der Eimer leer und die sorgsam gerösteten Bohnen machen noch ein paar Umdrehungen im Kühlsieb der Maschine, bevor sie Platz für den nächsten Röstgang machen.
Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann
In der Fabrikhalle liegen Dutzende von Kaffeesäcken auf Paletten, einige angebrochene stehen aufrecht. Seit sieben Uhr morgens läuft die Röstmaschine ununterbrochen. Der Duft nach frisch gerösteten Bohnen hängt schwer in der Luft. Ein rundes Dutzend Metalleimer mit bereits gerösteten Bohnen steht, sorgsam je nach Röstung mit kleinen Plastikkarten markiert, vor einer Palette mit Kaffeesäcken. Etwas weiter dahinter steht der vollautomatische Verpackungsautomat und spuckt die ersten schwarzen Plastikbeutel aus, auf denen das Kaffeeetikett prangt.
Diesmal kommen die grünlich-beigefarbenen Bohnen des Rohkaffees nicht von den Partnern des Hamburger Quijote-Kaffee-Kollektivs, sondern von der Fair-Trade-Gesellschaft Gepa aus Wuppertal. «Die Idee für eine Kooperation entstand bei einem Fortbildungsseminar für Gepa-Partner», erzählt Andreas Felsen. «Da war ich eingeladen und habe mit den Kollegen aus Lateinamerika gefachsimpelt, die Kaffeequalitäten liefern, die für uns engagierte Kleinröster interessant sind.» Der Kaffeeröster mit den raspelkurzen, blonden Haaren hat vor elf Jahren die Hamburger Spezialitätenrösterei mit einer Kollegin gegründet und kennt Kleber Cruz, der bei der Gepa den Kaffee einkauft, schon länger. Cruz und Kollegin Franziska Bringe haben 2017 die ersten Seminare für die Kaffeepartner aus Lateinamerika, Afrika und Asien organisiert. Fortbildung, aber auch das Knüpfen von Kontakten zu potenziellen Neukunden wie Kleinröstern stand auf der Agenda. Dabei entstand auch die Idee für eine Kooperation mit Quichote.
Im Laufe der Jahre sind die Kaffeebohnen der 44 Genossenschaften, die Kaffee für die Gepa liefern, dank guter Beratung und Fortbildung immer hochwertiger geworden. Drei von ihnen, die Gourmetkaffees ab 84 Punkten auf der Skala der US-amerikanischen Spezialitätenkaffeevereinigung SCAA anbieten, hat Kleber Cruz für das Projekt X-Roast ausgewählt.
Die Nachfrage für solche hochwertige Kaffees wächst in Deutschland bereits seit einigen Jahren. Beleg dafür ist nicht zuletzt die ständig steigende Zahl von Kleinröstereien, die den Großen von Tchibo, Jacobs oder Aldi Konkurrenz machen, aber auch das breiter werdende Angebot in den Supermärkten. Rund 1000 Röstereien gibt es mittlerweile in Deutschland, wovon immer mehr wie Quijote Kaffee auf Direktimporte und faire Preise für Kleinbauern und Genossenschaften setzen.
Doch längst nicht alle dieser kleinen Röstereien haben es wie Quijote Kaffee geschafft, in mehreren Ländern rund um den Globus feste Kooperationen mit kleinen und mittelgroßen Genossenschaften aufzubauen, die qualitativ hochwertigen Rohkaffee liefern und obendrein bereit sind, mit dem Hamburger Partner die Qualität kontinuierlich zu steigern. Gemeinsam besser werden lautet die Devise bei Quijote Kaffee, wo ein 15-köpfiges Kollektiv pro Jahr rund 150 Tonnen Kaffee röstet.
Davon entfallen dieses Jahr rund vier Tonnen auf den X-Roast. Der Rohkaffee für den Blend stammt aus Äthiopien, Kolumbien und Peru, er kommt von den Genossenschaften Sidama, Cosurca und Sol & Café. So ist es in dicken Lettern auf den drei Jutesäcken zu lesen, die auf einer Palette neben der Röstmaschine stehen und in ein paar Stunden leer sein werden. «Jeweils 1600 Kilogramm Rohkaffee lieferten Cosura aus Kolumbien und Sol & Café aus Peru. Etwas weniger, 1060 Tonnen, kamen aus Äthiopien von Sidama. »Alle drei Genossenschaften sind in der Lage, deutlich größere Mengen an Spitzenkaffee zu liefern«, erklärt Kleber Cruz. Der 58-jährige Kaffeeankäufer stammt aus Peru, hat aber in Marburg alles rund um Genossenschaften studiert. Heute ist er nach Hamburg gekommen, um beim ersten Rösttag dabei zu sein. Rund eine Tonne Kaffeebohnen sollen die Röstmaschine durchlaufen. Gemeinsam mit Andreas Felsen hält der quirlige Mann, der seit dem Frühjahr 2000 für Gepa arbeitet, die ersten schwarzen Espressobeutel in den Händen. Später wird noch der kräftige Filterkaffee geröstet, dessen Bohnen über den Verpackungsautomaten in beige-braune Tüten á 500 Gramm landen.
Der Aufbau langfristiger, partnerschaftlicher Beziehungen mit Schulung, Beratung und Weiterbildung in Anbau sowie an der Röstmaschine gehört zum Anspruch der Fair-Trade-Gesellschaft aus Wuppertal genauso wie von Quijote Kaffee. »Wir arbeiten mit den drei Genossenschaften seit Beginn der Nullerjahre zusammen«, erklärt Kleber Cruz. »In der Zeit sind die Genossenschaften gewachsen, besser geworden und haben auch ihre soziale Infrastruktur verbessert.« Das bestätigt Javier Dominguez von Sol & Café aus Peru während einer Zoom-Konferenz. »Rund 30 Prozent unserer Kaffeeproduktion ist Gourmetkaffee. Den Anteil versuchen wir durch Anbauberatung, Verarbeitung und Auslese zu verbessern. Parallel dazu haben wir auch einen Gesundheits- und Zahnarztservice für unsere Mitglieder aufgebaut. Das wäre ohne die Zuschläge durch den fairen Handel unmöglich gewesen«, so der Verantwortliche für den Verkauf des Kaffees der 1080 Mitglieder zählenden Kleinbauerngenossenschaft.
Weil das Unternehmen kontinuierlich wächst, ist Dominguez ständig auf der Suche nach neuen Kunden, die langfristig kooperieren und faire Strukturen unterstützen wollen. Kleinröster sind dabei für ihn eine neue Möglichkeit für eine Kooperation auf einem sich wandelnden Kaffeemarkt. Eine Unterstützung durch die Gepa als Handelsgesellschaft, die bislang selbst kaum Gourmetkaffee anbietet, ist dabei durchaus erwünscht. »Durch den X-Roast erhält unser Kaffee ein Gesicht«, freut sich der Anbauer. »Wir werden als Genossenschaft dadurch sichtbar und hoffen auf neue Klienten.«
Das versprechen sich neben Sol & Café auch die beiden anderen an dem Projekt beteiligten Genossenschaften. Für Kleber Cruz ist die Einbeziehung von Röstereien wie Quijote in den direkten Handel eine Weiterentwicklung des fairen Handels. Er hofft dank der Kooperation mit der in der Branche bekannten Quijote-Rösterei, die Gepa als Einkaufsalternative für Rohkaffee unter den Kleinröstern bekannter zu machen. Bisher sind es nur ein paar Dutzend Tonnen Rohkaffee, welche die Fair Trade Gesellschaft an Kleinröster weiterverkauft. Für Andreas Felsen gibt es ausreichend Gründe, warum sich das in Zukunft ändern könnte: »Die Gepa hat die Kontakte, kann den exzellenten Rohkaffee zu fairen Preisen für alle Beteiligten liefern. Mit dem X-Roast stellen wir das Angebot nun gemeinsam ins Schaufenster. Es hat Potenzial.« Für Felsen könnte Gepa, die bisher rund 3000 Tonnen Kaffee im Jahr importiert zu einer Rohkaffee-Drehscheibe mit sowohl nachhaltigen als auch fairen Anspruch werden.
Diese Prämissen unterscheidet die Gesellschaft von den großen Kaffeehändlern am Markt, was sich auch beim Preis bemerkbar macht, der für den Rohkaffee der drei Kooperativen bislang gezahlt wird. »Das sind im Schnitt 2,70 US-Dollar pro Pfund«, so Kleber Cruz. Ein Preis, der deutlich über dem Weltmarktpreis liegt. Für die Bauern ein Preis, der motiviert, weiter auf Qualität und die noch kleine Gourmetnische auf dem Markt zu setzen. Javier Dominguez hingegen hofft, dass der X-Roast der Auftakt für eine vollkommen neue Kooperation zwischen Genossenschaften und Kleinröstern wird. Dabei könnte die Gepa als Drehscheibe dienen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!