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  • Demos gegen »Querdenker«

Von Aneignungen und Machtfantasien

Problematische Parolen kursieren nicht allein auf »Querdenken«-Demos, wie das Beispiel »Wir impfen euch alle« zeigt

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 3 Min.

»My body, my choice« ist eine Parole, mit der sich Feministinnen gegen die Kriminalisierung von Abtreibung und für reproduktive Rechte einsetzen. In den vergangenen Wochen waren allerdings Schilder mit diesem Motto vermehrt auf Spaziergängen und Demonstrationen der Impfskeptiker*innen zu sehen. Ist das ein weiteres Beispiel dafür, dass sich die diffuse Bewegung der Corona-Maßnahmekritiker*innen progressive Losungen aneignet? Dieser Vorwurf wird in linken Kreisen schnell erhoben und ist sicher nicht falsch. Doch es genügt nicht, anklagend auf die »Querdenker*innen« zu verweisen. Vielmehr müsste auch eine Kritik an einer linken Bewegung folgen, die in der Auseinandersetzung mit den Maßnahmekritiker*innen selbst so manche feministischen Standards zu vergessen scheint.

So ist etwa auf Transparenten bei antifaschistischen Kundgebungen immer wieder die Parole »Wir impfen euch alle« zu lesen, auch Aufkleber und T-Shirts mit dieser Aufschrift gibt es mittlerweile. Nun ist es eine Sache, dafür zu werben, dass sich viele Menschen impfen lassen, weil dadurch tatsächlich für viele Menschen eine Covid- Infektion weniger gefährlich ist. Und es ist auch zu begrüßen, wenn den verschwörungstheoretischen Erklärungen über die Impfungen mit Fakten widersprochen wird. Eine ganz andere Sache ist es aber, damit zu drohen, anderen Menschen gegen deren Willen eine Impfung zu verabreichen.

Dennoch konnte man eine solche Drohung auch in einem Redebeitrag hören, der am 9. Januar aus dem antifaschistischen Block der Liebknecht-Luxemburg-Demonstration in Berlin heraus gehalten wurde. Sinngemäß wurden die Impfkritiker*innen dort zunächst aufgefordert, sich impfen zu lassen. Das ist ja völlig in Ordnung - aber die Rede endete mit der Äußerung: »Sonst machen wir das.« Damit wird faktisch angedroht, in die Körper anderer Menschen gegen deren Willen einzudringen.

Hier liegt es nun nahe, dass eine solche Ansage insbesondere auf Frauen und andere nicht männlich gelesene Menschen eine abstoßende Wirkung haben kann. Und tatsächlich haben sich schon im Sommer 2020 mehrere Frauen aus den Protesten gegen die »Querdenker*innen«-Bewegung zurückgezogen, nachdem sie vergeblich versucht hatten, jungen männlichen Aktivisten zu erklären, dass sie sich durch die Parole »Wir impfen euch alle« an Situationen erinnert fühlten, in der sie die Integrität ihres Körpers aus anderen Gründen gegen Männer verteidigen mussten. Auch viele Psychiatrieerfahrene mussten lange Kämpfe führen, um zu verhindern, dass ihnen gegen ihren Willen Medikamente und Beruhigungsmittel gespritzt werden. Für sie hat der Slogan »My body, my choice« also ebenfalls eine besondere Bedeutung.

Nun lässt sich argumentieren, dass es einen Unterschied gibt zwischen einer Impfung gegen Covid-19 und dem Verabreichen eines Pharmazeutikums. Die Drohung, einer Person gegen ihren Willen eine Spritze zu verabreichen, ist dennoch schlicht eine patriarchale Machtfantasie. Zudem gehen Linke mit dieser Drohung sogar über die Pläne des bürgerlichen Staates hinaus: Die Bundesregierung will eine Impfpflicht nicht mit körperlichem Zwang, sondern mit Geldbußen durchsetzen - die vor allem bei einkommensarmen Menschen schnell mit Ersatzfreiheitsstrafen im Gefängnis enden kann. Das wäre ein linkes Betätigungsfeld. Zudem muss an dieser Stelle daran erinnert werden, dass einst die Kritik an Staat und Kapital zu den besonders beliebten Werkzeugen im linken Instrumentenkasten gehörte. Diese Instrumente sollten wieder ausgepackt und auf die Höhe der Zeit gebracht werden - das Hantieren mit der Impfspritze hingegen sollten wir medizinisch geschultem Personal überlassen ...

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