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»Geoengineering könnte vielleicht viel Gutes tun«
Der Klimaökonom Gernot Wagner erklärt im Interview, warum es mehr Forschung zum Thema braucht
Die Menschheit sorgt dafür, dass sich immer mehr CO2 in der Atmosphäre ansammelt. Könnte man das als Geoengineering bezeichnen?
Teils. Vom Effekt her haben unsere CO2-Emissionen tatsächlich globale Effekte. Allerdings ist dieser Effekt - so hoffe ich mal stark - keine Absicht, sondern ein Nebeneffekt der Nutzung fossiler Energien. Daher würde ich es nicht als Geoengineering bezeichnen.
Der Austro-Amerikaner Gernot Wagner (41) unterrichtet Klimaökonomie an der New York University. Im September erschien sein fünftes Buch: »Geoengineering: The Gamble«.
Viele Länder haben ein »Netto-Null-Ziel«. Dabei bedeutet das »netto«, dass es noch Emissionen gibt, die der Atmosphäre aber wieder entzogen werden. Welche Methoden sind hier sinnvoll?
Es gibt tatsächlich Möglichkeiten, CO2 wieder aus der Luft zu holen. Bäume tun das, aber dabei bleibt das CO2 in der Biosphäre. Technische - chemische - Methoden können es wieder in die Geosphäre zurücksenden, dort wo die fossilen Brennstoffe herkamen. Technisch geht es, derzeit ist es allerdings noch sehr teuer - um die 600 bis 800 Euro pro Tonne CO2. Darum geht’s aktuell vor allem darum, die Kosten zu senken. Aber der wichtigste Punkt: Von der Reduktion der CO2-Emissionen darf dies nicht ablenken.
Um die Erwärmung relativ schnell zu stoppen, könnte man auch das Sonnenlicht dimmen. Sie fordern in Ihrem neuen Buch, dass Methoden des solaren Geoengineerings besser erforscht werden. Warum?
Einerseits weil es schon so spät ist in Sachen Klimaschutz, und so viele Klimaschäden bereits in unsere Emissionspfade eingebacken sind, dass solares Geoengineering vielleicht viel Gutes tun könnte. Andererseits, weil die Methoden so billig sind und so viel bewirken können, dass es wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit ist, bis jemand es versucht - unabhängig davon, ob es eine gute Idee ist.
Wenn man solares Geoengineering erforscht, besteht dann nicht die Gefahr, dass weniger zur Reduktion der Emissionen getan wird?
Das ist vielleicht das größte Risiko überhaupt - nicht nur für solares Geoengineering, sondern auch für Methoden, CO2 wieder aus der Atmosphäre zu holen. Im Fachjargon heißt das Moral Hazard, moralisches Risiko. Das klassische Beispiel ist eine Versicherung. Sie federt das Risiko ab und führt dabei zu riskanterem Verhalten. Bei solarem Geoengineering könnte das ähnlich sein und es könnte als weitere Ausrede dienen, die Emissionen nicht zu reduzieren.
Wie groß wäre der Aufwand, um die Atmosphäre um 0,1 bis 0,2 Grad zu kühlen? Könnte ein Land das alleine machen?
Ja, viele Länder könnten das. Aerosole in der Stratosphäre auszubringen ist so billig, dass es Dutzende Länder gibt, deren Haushalt für die Luftwaffe alleine ausreichen würde.
Gibt es internationale Regeln für solares Geoengineering?
Normen ja, aber zielsichere Regeln nicht. Es gibt ein Abkommen zur »friedlichen Nutzung des Alls«, aber Expertenmeinungen gehen auseinander, ob das hier anwendbar wäre. Schließlich geht es um eine friedliche Nutzung, auch wenn andere Länder es vielleicht nicht mögen.
Mit welchen Umweltfolgen muss man bei solarem Geoengineering rechnen?
In vielerlei Hinsicht benötigt es viel mehr Forschung, um die Risiken zu eruieren. Aber ein prominentes Risiko ist etwa die Interaktion von stratosphärischen Aerosolen mit dem Ozon. Das Ozonloch heilt mittlerweile seit Jahrzehnten. Stratosphärische Aerosole könnten den Heilungsprozess verlangsamen. Das wäre ein großes Risiko, das man nicht links liegen lassen darf.
Würde sich durch solares Geoengineering die Farbe des Himmels verändern?
Um einiges weniger als sich das Abendrot jetzt schon durch Luftverschmutzung verändert hat. Tatsächlich gibt es eine Studie dazu, wie während großer Vulkanausbrüche Renaissancekünstler ihre Himmel roter gemalt haben als zu anderen Zeiten. Aber falls wir das Abendrot als wirkliches Problem des solaren Geoengineerings ansehen, dann geht’s uns, glaube ich, gut.
Früher enthielt Schiffsdiesel große Mengen Schwefel und jetzt nicht mehr. Wäre es sicher, diese Schwefelmenge einfach direkt in der Atmosphäre auszubringen?
Tatsächlich verursachen Schiffe bodennahe künstliche Wolken, die einen Einfluss auf die lokale Temperatur haben. Allerdings wird hier das Schwefeldioxid in die Troposphäre, die niedrige Atmosphäre, emittiert, wo die Luftverschmutzung jährlich zwischen ein und zehn Millionen Menschen tötet. Beim solaren Geoengineering geht es darum, diese Partikel in der Stratosphäre auszubringen - nahe dem Äquator auf einer Höhe von mindestens 20 Kilometern. Das schaffen weder Schiffe noch Passagierflugzeuge.
Was passiert, wenn man mit solarem Geoengineering aufhört?
Dann würden die Temperaturen schnell wieder steigen. Das haben wir etwa Anfang der 90er Jahre beobachtet. Im Juni 1991 brach der Pinatubo in den Philippinen aus. Im Sommer 1992 waren deshalb die globalen Temperaturen ein halbes Grad niedriger, als sie es ohne Vulkanausbruch gewesen wären. Die Aerosole des Vulkans fielen 12 bis 18 Monate nach dem Ausbruch wieder aus der Stratosphäre und die Temperaturen waren 1993 wieder dieses halbe Grad höher.
Ist solares Geoengineering somit eine Möglichkeit sich Zeit zu kaufen, um die Emissionen tatsächlich auf Netto-Null zu bringen? Anschließend könnte man ja wieder damit aufhören?
Das wäre die rationalste aller möglichen Anwendungen: etwa um dem Klimawandel am Höhepunkt die Schärfe zu nehmen. Solares Geoengineering ist keinesfalls ein Ersatz für die Reduktion der CO2-Emissionen. Aber bis wir auf Netto-Null kommen, steht tatsächlich noch genug an globaler Erwärmung ins Haus. Solares Geoengineering könnte - könnte - dabei helfen das Schlimmste zu vermeiden, ehe es wieder heruntergekurbelt wird.
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Die Wissenschaftlerin Kate Ricke hat in einem Interview bezüglich solarem Geoengineering gesagt: »Ich kann mir nicht vorstellen, dass das nicht kommt, wenn ich mir die wirtschaftlichen Aspekte ansehe.« Sehen Sie das auch so?
»Nicht ob, sondern wann« ist die Frage, ja. Bei der Reduzierung von CO2-Emissionen sprechen Ökonomen oft vom globalen »Free Rider Effekt«, dem Trittbrettfahrer-Effekt. Kein Einzelner hat den Anreiz, genug zu tun, obwohl wir natürlich alle viel mehr tun könnten und müssten. Solares Geoengineering ist so billig und wirkt so schnell, dass es sich aus ökonomischer Sicht genau ums Gegenteil handelt: den »Free Driver Effekt«. Wenn überhaupt, geht es darum, Länder davon abzuhalten, zu viel zu schnell zu tun.
Zum Abschluss eine persönliche Einschätzung: Wird es während Ihres Lebens solares Geoengineering geben oder nicht?
Ich bin jetzt 41. Im Jahr 2050 bin ich 70. Ja.
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