- Politik
- Präsidentschaftswahl in Italien
Berlusconi gibt auf
Der Kandidat der rechten Parteien zieht Kandidatur für Italiens Präsidentenamt überraschend zurück
Die Ankündigung kam überraschend: Am Samstagnachmittag ließ der Medienmogul und mehrfache italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi erklären, er ziehe seine Kandidatur auf das höchste Staatsamt zurück. Zwar sei er überzeugt, dass er die erforderliche Stimmenzahl auf sich vereinigen könnte, doch aus »nationaler Verantwortung« werde er sich am Montag nicht der Wahl stellen.
Seit Wochen geistert der Schatten des 85-jährigen Forza-Italia-Chefs durch die italienischen Medien. Der Medienmogul mit seiner skandalträchtigen politischen und privaten Vergangenheit wollte gern 13. Präsident Italiens werden. Seinen Abgesang verkündete Berlusconi nicht selbst, sondern ließ seine Entscheidung von Parteifreunden verkünden.
Außer der »nationalen Verantwortung« gab der Ex-Cavaliere keine weitere Begründung für den unerwarteten Rückzug ab. Es ließe sich vermuten, dass ein neuerlich aufgedeckter Finanzskandal seine Entscheidung beeinflusst haben könnte. Der Medienmogul soll einer Frau 70 000 Euro »gespendet« haben, damit diese die Miete eines Richter am Kassationshof bezahle. Als Gegenleistung soll der Richter in einem anhängigen Verfahren Berlusconis für dessen »Verjährung« gesorgt haben.
Sowohl die rechte Lega als auch die postfaschistischen Fratelli d’Italia waren von der plötzlichen Entscheidung Berlusconis überrascht – gerade hatte man sich eher mühsam auf den Kandidaten einigen können. Nun wird kurz vor dem ersten Urnengang, dringend eine neue Option gesucht.
Nach dem Ausscheiden der Option Berlusconi kursieren nun etliche Namen, die sich um den Sitz im Quirinalspalast bewerben könnten. Seitens der Rechten werden die derzeitige Senatspräsidentin Elisabetta Casellati oder Berlusconis früherer Außenminister Franco Frattini gehandelt.
Italiens Mitte, zu der sich inzwischen der frühere Sozialdemokrat und Chef der Kleinstpartei Italia Viva, Matteo Renzi, zählen lässt, könnte sich den Chef der Zentrumspartei und Ex-Parlamentspräsidenten Pier Ferdinando Casini vorstellen. Auch für Lega-Chef Salvini könnte er eine Option sein.
Mario Draghi ist der Favorit
Die in der gegenwärtigen Regierungskoalition vertretenen Mitte-links-Parteien – Demokratische Partei Pd, Bewegung 5 Sterne (M5S) und Liberi e Uguali (Freie und Gleiche, LeU) – hatten sich zu einem Treffen am Sonntagnachmittag verabredet, um Kandidaten für die bevorstehende Wahl zu nominieren (nach Redaktionsschluss). Pd-Chef Enrico Letta erklärte im Vorfeld kategorisch, dass Namen erst nach dem Treffen genannt werden sollten. Allerdings war es kein Geheimnis, dass Letta eine Kandidatur des amtierenden Regierungschefs Mario Draghi bevorzugen würde. In Europa wird der ehemalige Chef der Europäischen Zentralbank als Garant für ein stabiles Italien in Corona-Zeiten geschätzt.
Seitens der Rechten jedoch wird auf ein Verbleiben Draghis im Amt des Premiers bestanden. Sowohl von der Lega als auch von Fratelli d’Italia hieß es, dass Mario Draghi zur Lösung der dringenden Pandemie- und Wirtschaftsprobleme auf dem Posten des Regierungschefs benötigt würde. Draghi selbst hatte sich bis kurz vor der Wahl nicht zu einer möglichen Kandidatur geäußert. Beobachter in Rom wollen jedoch aus seiner Äußerung, »die Regierung sei stabil, egal wer sie weiter führe«, mögliche Ambitionen auf das höchste Staatsamt heraushören.
Doch an eine Stabilität ohne Draghi, daran glaubt eine große Zahl der Italiener nicht. Das weite Regierungsbündnis, das von der rechten Lega, über die populistischen Grillini, den Sozialdemokraten bis hin zu den Linken von Liberi e Uguali reicht, könnte schon unmittelbar nach einer Wahl Draghis zum Staatsoberhaupt platzen und dies zu vorzeitigen Neuwahlen führen. Diese würden, den Umfragen zufolge, zu einer rechtsdominierten Regierung führen. Dass eine solche den europafreundlichen und stabilen Kurs Draghis fortsetzen könnte, bezweifeln nicht wenige führende Politiker in der EU. Und sorgen sich schon um die 200 Milliarden Euro, die aus dem Corona-Stabilitätspakt nach Italien geflossen sind.
Insgesamt sollen 1009 Stimmberechtigte im erweiterten Parlament am Montag ihre Stimme abgeben. Für die ersten drei Urnengänge ist eine Zweidrittelmehrheit der abgegebenen Stimmen erforderlich, um eine Kandidatin oder einen Kandidaten das höchste Staatsamt wählen. Erst im möglichen vierten Durchgang genügt eine absolute Mehrheit.
Angesichts vieler Covid-Erkrankter oder zumindest positive Getesteter ist derzeit jedoch noch nicht abzusehen, wie viele der für die gemeinsame Sitzung der Parlamentsabgeordneten und regionalen Delegierten wirklich an der Abstimmung teilnehmen können. Wegen der strengen Corona-Auflagen wird damit gerechnet, dass pro Tag nur ein Wahlgang der namentlichen Stimmabgabe durchgeführt werden kann. Möglicherweise wird erst am Donnerstag feststehen, wer neues Staatsoberhaupt von Italien wird.
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