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Ein konspiratives Geflecht
Bei den Revolutionsgarden laufen viele Fäden der iranischen Innen- und Außenpolitik zusammen
Das Kahn war unscheinbar, einer von Zehntausenden in die Jahre gekommenen Fischerbooten, auf denen Männer rund um die arabische Halbinsel versuchen, den Lebensunterhalt für sich selbst und ihre Familien zu verdienen. Warum genau dieses Schiff auf dem Radar der US-Geheimdienste auftauchte, wird wohl auf absehbare Zeit im Verborgenen bleiben; Sprecher*innen von Pentagon und Außenministerium wollen sich dazu nicht äußern. Doch was die US-Marine fand, als sie Mitte Dezember in der nördlichen arabischen See zwischen Oman und Pakistan zuschlug, ist alles andere als unbedeutend: 1400 Schnellfeuergewehre und 226 600 Runden Munition, alles aus iranischer Produktion, hatte das Schiff geladen.
»Aus meiner Sicht ist diese Lieferung ein eindeutiger Beleg dafür, wie logistisch ausgefeilt und weitgehend die Unterstützung der iranischen Revolutionsgarden für Gruppen im Ausland mittlerweile ist«, sagt Ehud Barak, ehemaliger israelischer Regierungschef, Verteidigungsminister und Generalstabschef. Wo es Krieg und Konflikt gibt, sind die Revolutionsgarden nicht weit entfernt: Im Jemen, im Libanon, in Syrien, im Irak, im Gazastreifen, in Nordafrika, in Afghanistan, wahrscheinlich auch in den Ländern Zentralasiens - und mutmaßlich jetzt sogar in Myanmar an der Seite der Militärjunta, berichtete die Nachrichtenwebseite »Asia Times« am Donnerstag. Meist sind es militante Organisationen, an die Geld, Waffen und Ausbildung fließen, und davon scheinen die Revolutionsgarden reichlich zu haben, während der Staat unter chronischem Finanzmangel leidet.
Teller und Rand ist der neue ndPodcast zu internationaler Politik. Andreas Krämer und Rob Wessel servieren jeden Monat aktuelle politische Ereignisse aus der ganzen Welt und tischen dabei auf, was sich abseits der medialen Aufmerksamkeit abspielt. Links, kritisch, antikolonialistisch.
Militärisch fährt die Islamische Republik Iran zweigleisig. Während die Revolutionsgarden verdeckt im Ausland agieren, obliegt den regulären Streitkräften in erster Linie die Landesverteidigung. Dafür wurden potente Partner gefunden: Am Freitag haben der Iran, Russland und China im Indischen Ozean ein gemeinsames, dreitägiges Militärmanöver begonnen. Durch diese Gewässer fahren regelmäßig Öltanker. Der iranische Armeesprecher Mustafa Tadscheddini erklärte, Marine- und Fliegereinheiten der drei Länder hätten im Rahmen der Übung zwei »von Piraten in internationalen Gewässern entführte« Handelsschiffe befreit. Nach Angaben Teherans nahmen elf Einheiten der iranischen Marine, drei Marineeinheiten der Revolutionsgarden sowie drei Einheiten aus Russland und zwei weitere aus China an den dreitägigen Übungen teil. Das Manöver finde in einem 17 000 Quadratkilometer großen Meeresgebiet statt. Ende 2019 hatten die drei Länder ähnliche Übungen im Golf von Oman abgehalten.
Eher konspirativ geht es bei den Revolutionsgarden zu. Der Weg in ihre Welt führt schnell zu einem Geflecht von Scheinfirmen in der arabischen Welt und im Westen, zu Milizen, die oft ebenso plötzlich auftauchen, wie sie wieder verschwinden. Nach der islamischen Revolution wurden die Revolutionsgarden gegründet, um das System nach innen und außen zu schützen, zu bewahren. Ihr verfassungsgemäßes Ziel ist es kurz gesagt, den Obersten Führer, Ajatollah Ali Khamenei, an der Macht zu halten. Doch längst sind die Revolutionsgarden mehr als das: Sie haben einen großen Teil der iranischen Industrie unter ihrer Kontrolle und sind damit größter Arbeitgeber des Landes. Ermöglicht hat ihnen das der ehemalige Präsident Mahmud Ahmadinedschad, der im Westen vor allem durch martialische Aussagen in Erinnerung geblieben ist, während er im Hintergrund den Aufstieg der Revolutionsgarden förderte. Möglich machten das aber auch die internationalen Sanktionen: Über ein Netz aus Tarnfirmen schmuggelt das Militär große Mengen an Devisen und Wertgegenständen ins Land. Eingezahlt werden sie meist von im Ausland lebenden Iraner*innen, damit es an Verwandte im Inland weitergeleitet wird; die Revolutionsgarden erhalten dafür eine Gebühr und die Devisen, denn ausgezahlt wird grundsätzlich in Landeswährung. In einem Bericht der irakischen Polizei an die Regierung in Bagdad von 2020 ist von riesigen Geldmengen die Rede, die über die Grenze geschafft werden, mit Hilfe jener Milizen, die offiziell als Teil der »Volksmobilisierungskomitees« unter der Kontrolle des irakischen Regierungschefs stehen.
Und Geld brauchen die 150 000 Personen zählenden Revolutionsgarden in großen Mengen. Ihre wichtigste und gleichzeitig verschwiegenste Abteilung ist das während des iranisch-irakischen Kriegs in den 80er Jahren gegründete Quds-Corps. 2000, höchstens 3000 Angehörige habe die Einheit, heißt es in einem UNO-Bericht zum Jemen-Krieg. Und sie sind es, die hinter den logistisch ausgefeilten Schmuggel-Operationen, den Ausbildungen für jugendliche Kämpfer in den Krisenherden der Region stecken, in denen immer auch eine ordentliche Portion an ideologischer Indoktrination zu stecken scheint - jedenfalls lassen Berichte von Angehörigen von Kampfgruppen in Syrien und im Gazastreifen darauf schließen.
Denn das reine militärische Engagement ist das eine: Man will angenommene oder tatsächliche Feinde in Schach halten, an strategisch wichtigen Punkten präsent sein und idealerweise eine pro-iranische Führung installieren. Das andere ist die Selbstlegitimierung durch Ideologievermittlung: Zwar gibt es eine Wehrpflicht, doch der Dienst in den Revolutionsgarden ist freiwillig. Trotz der umfassenden Zensur sind die Revolutionsgarden im Iran durchaus umstritten. Ihre Truppen rekrutieren sie vor allem in Dörfern und Kleinstädten, wo überwiegend konservative Unterstützer*innen der Islamischen Republik leben. Und der Aspekt des »Revolutionsexports«, der auf den ersten Revolutionsführer Ajatollah Ruhollah Khomeini zurück geht und erreichen soll, dass die islamische Revolution auch in anderen Ländern stattfindet, ist wichtig, um sich diese Unterstützung zu sichern und das eigene Handeln in den politischen Zirkeln in Teheran zu rechtfertigen. Immer wieder berichten konservative Medien deshalb detailliert über die Gruppen im Ausland, die sich offiziell als »pro-iranisch« bekannt haben.
Wie viel Loyalität tatsächlich in Organisationen wie der Hamas, der Hisbollah, den Huthi-Milizen oder den mehr als 1000 Kleinmilizen steckt und ob diese Gruppen tatsächlich iranischen Befehlen folgen würden, falls es zum bewaffneten Konflikt kommen sollte, beispielsweise mit Israel, lässt sich nur vage vermuten: Von den palästinensischen Organisationen Hamas und Islamischer Dschihad ist bereits bekannt, dass sie Ansagen aus Teheran nicht unbedingt folgen.
Doch letztlich geht es auch um Einfluss: Die Revolutionsgarden sind neben ihrem Auslandsengagement auch maßgeblich am iranischen Atomprogramm beteiligt, und beides zusammen gibt ihnen sehr viel Macht im Inneren. Mittlerweile besetzen ehemalige Funktionäre die wichtigsten Posten im Parlament und im Büro des Obersten Führers, Ajatollah Ali Khamenei; ihr Kommandeur Hussein Salami sitzt mit im Raum, wenn die Politik über wichtige gesellschaftliche oder politische Fragen diskutiert. Und auch: Wenn wieder mal über den nächsten Obersten Führer gesprochen wird. Seit Jahren ein Dauerthema, denn Khamenei ist 82 Jahre alt. Seine Nachfolge wird offiziell vom Expertenrat bestimmt, einem Gremium, das nur für diese Wahl da ist. Doch tatsächlich dürfte diese Entscheidung im Hauptquartier der Revolutionsgarden fallen.
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