Ein Dirigent und sein halbwahrer Halbkreis
Aus Aufgabensammlungen der nd-Denkspielgemeinde
Für jede in dieser Rubrik abgedruckte Aufgabe erhalten Einsenderin oder Einsender ein Buch. Das geht diesmal an Bernhard Arnold aus Bremen:
»Stellt euch im Halbkreis auf!«, fordert Chorleiter Manfred uns bei der Stellprobe vor dem Konzert auf. Er selbst positioniert sich in der Mitte zwischen den beiden »Flügelleuten«, die ihrerseits im Abstand von 11 Metern stehen (wobei mit Abstand, wie durchgängig in dieser kleinen Geschichte, die Distanz von Körpermitte zu Körpermitte gemeint ist). Indes pflegt unser Manfred kein akribisches Verhältnis zu geometrischen Definitionen: Halbkreis ist für ihn Halbkreis, egal wie viel Grad der zugehörige Zentriwinkel beträgt. Daran hat sich der Chor längst gewöhnt. Bis auf mich.
Er steht nämlich gar nicht im Mittelpunkt eines Halbkreises. Sein Abstand zu mir beispielsweise beträgt nicht 5,50 Meter, sondern nur 4 Meter. Ich stehe ihm sozusagen (geometrisch!) am nächsten, weil ich meinerseits gleich weit von den beiden Flügelleuten postiert bin. Und wenn ich ihm zurufe: »Das ist doch gar kein Halbkreis, Manfred!«, guckt er irritiert und fragt: »Ja, was denn dann? Ein Viertelkreis? Ein Drittelkreis? Oder was?« - Tja, was denn dann?
Obige Begebenheit hat sich lange vor der Corona-Pandemie ereignet. Andernfalls hätten Sängerinnen und Sänger nicht, wie sie es taten, im Abstand von nur einem halben Meter zueinander stehen können. Und es waren damals viele. - Tja, wie viele denn? nd
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