- Politik
- Hubertus Heil und Minijobs
Niedriglöhne? Ja bitte!
Arbeitsminister Heil bekräftigt Vorhaben, Minijobgrenze anzuheben
Arbeitsminister Hubertus Heil hat am Wochenende bekräftigt, dass die Verdienstobergrenze für Minijobs von 450 auf 520 Euro im Monat steigen soll. Damit fördert die Ampel Jobs, die besonders schlecht bezahlt sind und bei denen Arbeitnehmer-Ansprüche besonders oft missachtet werden.
In ihrem Koalitionsvertrag haben SPD, Grüne und FDP festgelegt, dass die Minijobgrenze auf 520 Euro angehoben wird, und zwar parallel zur Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro. »Das ist so in der Koalition vereinbart – und so machen wir’s«, sagte der SPD-Politiker Hubertus Heil nun den Zeitungen der Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft.
Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann
Damit ignoriert die Koalition die Empfehlung von Forschenden, die seit langem für eine Begrenzung dieser Beschäftigungsform plädieren, und zwar aus vielen Gründen.
Geringfügig Beschäftigte würden in der Regel nur bei Anwesenheit bezahlt. »Sie erhalten meist keinen bezahlten Urlaub und keine Lohnfortzahlung bei Krankheit, obwohl sie Anspruch darauf haben«, sagte etwa Gerhard Bosch, Arbeitsmarktforscher an der Uni Duisburg-Essen, bereits im November »nd.DieWoche«.
Mehr zu Minijobs: Rauf mit dem Mindestlohn, raus aus dem Mindestlohn
Überdies werden Minijobberinnen besonders häufig gering vergütet werden: 77 Prozent erhielten 2019 Niedriglöhne von weniger als 11,50 Euro pro Stunde, ergab eine Analyse des Instituts Arbeit und Qualifikation an der Uni Duisburg-Essen. Dabei ist noch nicht berücksichtigt, dass geringfügig Beschäftigte oft keinen bezahlten Urlaub erhalten.
Zudem fallen bei Minijobs geringere Sozialbeiträge an, was die Lohnkosten für Unternehmen zusätzlich senkt und ein Grund dafür ist, dass sie so verbreitet sind: Fast sieben Millionen Menschen hatten zuletzt einen Minijob - das sind 18 Prozent aller abhängig Beschäftigten. Allein in kleinen Betrieben verdrängen sie bis zu 500 000 sozialversicherungspflichtige Stellen, ergab eine Studie des Forschungsinstituts der Bundesagentur für Arbeit (IAB) vom Oktober vorigen Jahres.
Der IAB-Forscher Mario Bossler erwartet immerhin einen positiven Effekt des Ampelplans: Nach Einführung des Mindestlohns im Jahr 2015 seien viele an der Minijobschwelle hängengeblieben - faktisch stieg ihr Monatseinkommen nicht. Künftig könnten geringfügig Beschäftigte wenigstens 520 statt 450 Euro im Monat erhalten, sagte der Mindestlohn-Experte kürzlich »nd.DieWoche«. Das ist allerdings immer noch sehr wenig Geld, von 520 Euro kann kein Mensch leben.
Mehr zu den Mindestlohn-Plänen: Wer den Mindestlohn zahlt
Mit ihrem Minijob-Vorhaben schwächt die Ampel unterm Strich ihr Vorhaben ab, den Mindestlohn ab Oktober auf zwölf Euro anzuheben. Das bedeutet nicht, dass die Erhöhung wirkungslos verpufft, wenn sie tatsächlich im Herbst kommt. Es gibt zwar extrem viele Minijobs, die meisten abhängig Beschäftigten haben aber sozialversicherungspflichtige Stellen, die weniger betrugsanfällig sind. Laut Statistischem Bundesamt würden insgesamt knapp 7,2 Millionen Beschäftigte von der geplanten Mindestlohnerhöhung profitieren.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.