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Aus Dreck gemacht
Plattenbau. Die CDs der Woche: »Noktvrn« von Der Weg einer Freiheit und »There's Always Blood At The End Of The Road« von Wiegedood
Black Metal war für ein paar Jahre das einzige bösartige Subgenre im Metal. Im Geburtsland Norwegen haben Kirchen gebrannt, es wurden Menschen umgebracht. Damit wurde auch gleich eine mögliche Antwort auf die Frage geklärt, wo das Reale im Pop, also in einer Welt aus Zeichen, zu finden sei: Die Gebäude waren wirklich weg, die Menschen wirklich tot, der Nazi Varg Vikernes, eine der Gründerfiguren, wirklich im Knast.
In der zweiten Generation trat bereits Mäßigung in Form von nur noch symbolischen Provokationsritualen ein. Der Extremismus bleibt dem Black Metal aber als ästhetische Qualität, als Drohung und als Versprechen erhalten. In den vergangenen 30 Jahren hat sich das Genre mehr und mehr von seinen radikal-kaputten Anfängen entfernt und sich mit anderen Genres verknüpft. In der Musik von Bands erklingt am Ende elegischer Postrock.
Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann
Black-Metal-Versatzstücke sind da vor allem funktional und dienen dazu, den Eindruck von etwas Dunklem, irgendwie aus tiefsten Tiefen aufsteigenden zu erzeugen. In Deutschland wird dieses Feld am erfolgreichsten von der Band »Der Weg einer Freiheit« beackert. Die Stücke auf ihrem neuen, fünften Album »Noktvrn« sind interessant insofern, als man an ihnen nachvollziehen kann, wie musikalischer Extremismus klanglich so gestaltet und produziert werden kann, dass niemandem mehr beim Hören was wehtut.
Das Schlagzeug rast, die Gitarren ziehen eine Wand hoch, aber es klingt alles schön und glatt und leider auch tendenziell egal, während der Sänger pathetische Düsterlyrik von sich gibt: »Bevor die Last der Verantwortung mich aufgesucht/War ich geborgen in des Lichtes Fülle/Hierhin kehr ich zurück und säe einen Funken warme Freiheit/In einen kalten und sterbenden Stern«. Der Duktus hat sich vom stumpf-menschenfeindlichen Gestus im Black Metal der frühen Jahre hin zu etwas dunkel-romantischen gewandelt. In beiden Fällen ist man froh, dass man die Texte bei dem ganzen Lärm kaum versteht.
Besser: Das vierte Album der belgischen Band Wiegedood. Die Musik darin erinnert an die übersteuerte Hysterie der frühen Jahre, alles klingt gehetzt und kaputt. Es ginge in den Stücken um den inneren Kampf, erklärt die Band, »den wir in unserem Inneren austragen und versuchen, die Tatsache zu überwinden, dass wir alle aus Dreck gemacht sind«. Das ist ein anderer Blick auf die eigene Gattung als der, der sich im Friedhofsblumenduft von »Der Weg einer Freiheit« manifestiert.
Wiegedood verwenden kurze, sich immer wiederholende Riffs, die manisch kreisen. Allerdings sind in vielen der Songs kleine, überraschende Ideen eingeflochten, die nichts von dem sonst üblichen Theaterdonner haben und darauf verweisen, wie hier mit minimalistischen Mitteln alles effektiv auf Intensivierung zielt. Nach dem Hören ist man körperlich wirklich geschafft. »There’s Always Blood At The End Of the Road« gehört zu den besten Black-Metal-Alben der vergangenen 20 Jahre. Was am Genre dumm und falsch ist, wurde gestrichen, aber die Alternative ist kein temperiert-extremistischer Wohlklang, sondern ein physisch fordernder, überhitzter musikalischer Raum aus Noise, Geschwindigkeit und Dreck.
Der Weg einer Freiheit: »Noktvrn« (Season of Mist/Soulfood); Wiegedood: »There's Always Blood At The End Of The Road« (Century Media Records/Sony Music).
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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