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- Ukraine-Krise und die Linke
Einhelliges Entsetzen in der Linken
Linkspartei wie Friedensbewegung verurteilen russisches Vorgehen in der Ukraine als völkerrechtswidrig
In einer kurzen Erklärung haben die Bundesspitze und die Vorsitzenden der Bundestagsfraktion der Linkspartei am Dienstag das Vorgehen Russlands gegenüber der Ukraine als »offenen Völkerrechtsbruch« verurteilt. Ebenso äußerten sich die Bremer Linksfraktion und der Landesvorstand der Bremer Linken, die dort Teil der Landesregierung sind.
Die Berliner Sozialsenatorin und ehemalige Linke-Chefin Katja Kipping warnte vor gravierenden Folgen des von Präsident Wladimir Putin in der Nacht zum Dienstag angekündigten Einmarschs in der Ostukraine wie auch der Anerkennung der selbst ernannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk »für die Menschen in der Ukraine und in Russland, aber auch für uns in Europa«. Die erneute Eskalation könne eine »enorme Fluchtbewegung« auslösen, warnte Kipping. Deutschland müsse sich darauf vorbereiten, »in absehbarer Zeit auch hier humanitäre Aufnahmekapazitäten« bereitzustellen, forderte die Senatorin in einer Erklärung. Dafür brauche es eine »parteiübergreifende Kraftanstrengung in Bund und Ländern«, so die Senatorin. Ähnlich äußerte sich der Berliner Linke-Kultursenator Klaus Lederer.
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Die Linke-Bundesvorsitzenden Janine Wissler und Susanne Hennig-Wellsow sowie die Vorsitzenden der Linke-Bundestagsfraktion, Amira Mohamed Ali und Dietmar Bartsch, erklärten am Dienstag: »Die Anerkennung der ›Volksrepubliken‹ und der Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine eskalieren den Konflikt weiter. Das ist keinesfalls eine ›Friedensmission‹, das ist völkerrechtswidrig, verletzt die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine und befördert die Gefahr eines großen Krieges in Europa.« Die russischen Truppen müssten zurückgezogen werden, »Konfliktentschärfung und Deeskalation« seien »dringend notwendig«. Eine Rückkehr zum von Repräsentanten Moskaus, Kiews sowie der selbstproklamierten »Volksrepubliken« Luhansk bzw. Donezk unterzeichneten Minsker Abkommen vom Februar 2015 müsse »Ziel bleiben«, so die Linke-Politiker*innen.
Linke-Chefin Wissler hatte sich bereits am Montag vom Vorgehen des russischen Präsidenten Wladimir Putin distanziert. »Ich hege da keinerlei Sympathien und halte seine Politik für grundfalsch«, sagte sie auf einer Pressekonferenz in Berlin. Sie verwies auf die Armut in Russland, auf den Umgang mit Homosexuellen oder Putins Unterstützung für rechte Parteien in Europa. Gleichwohl müsse man Russlands geopolitische Interessen zur Kenntnis nehmen, die Sorge der Regierung in Moskau vor einem »weiteren Vorrücken der Nato gen Osten« sei »nachvollziehbar«, erklärte die Linke-Vorsitzende. Zugleich stellte sie klar: »Der Aufmarsch der Truppen ist dadurch in keiner Weise zu rechtfertigen.« Er sei »hochgefährlich« und »ein Beitrag zur Eskalation«. Wissler bekräftigte zugleich die Kritik ihrer Partei an der Nato-Osterweiterung, den Großmanövern des Militärbündnisses in der Region und der Entsendung von Nato-Soldaten in osteuropäische Mitgliedsstaaten.
Die Linke-Bundestagsabgeordnete Sahra Wagenknecht hatte am Sonntagabend in der ARD-Sendung »Anne Will« vor allem das Agieren der Nato und der USA gegenüber Russland über Jahre hinweg scharf kritisiert und insbesondere US-Präsident Joe Biden vorgeworfen, einen »russischen Einmarsch geradezu herbei« zu reden. Sie betonte, Putin sei ein »kalt kalkulierender Machtpolitiker«, bezeichnete das »Säbelrasseln« Moskaus aber zugleich als Ergebnis der Ignoranz des Westens gegenüber russischen Sicherheitsinteressen.
Der ehemalige Linke-Bundestagsabgeordnete und Verteidigungspolitiker Matthias Höhn kritisierte auf Twitter, Wagenknecht übernehme einfach die Argumentation der russischen Regierung. Das sei nicht links, so Höhn. Russland sei »zu keinem Zeitpunkt nach 1990 ernsthaft militärisch bedroht worden«. Er mache sich zwar »keinerlei Illusionen über die US-amerikanischen geopolitischen Interessen, und dass die USA diese jederzeit knallhart (auch militärisch) durchzusetzen bereit sind«, konzedierte der Politiker. »Aber ich mache mir eben auch keine über die russischen und die chinesischen.« Das »Recht des Stärkeren« dürfe nirgends akzeptiert werden. Am Dienstag machte sich Höhn für das Vorantreiben eines Beitritts der Ukraine zur EU stark.
In einer gemeinsamen Erklärung verurteilten auch die Außenpolitiker*innen der Linksfraktion, Sevim Dağdelen und Gregor Gysi, das Vorgehen Moskaus als völkerrechtswidrig, »so, wie wir auch immer Völkerrechtsverletzungen durch die Nato oder Mitglieder der Nato wie zum Beispiel bei der Abtrennung und Anerkennung des Kosovo verurteilt haben«. Zwar stimme es, dass die Ukraine ihre Verpflichtungen aus dem Minsk-2-Abkommen nicht erfüllt habe, nämlich die ostukrainischen Republiken Gebiete »für autonom zu erklären und Wahlen unter Kontrolle und Beobachtung der OSZE durchzuführen«. Das aber rechtfertige nicht den »Einmarsch in einen anderen Staat und die Verletzung der Souveränität und territorialen Integrität der Ukraine«.
Generell ist der Ton in der deutschen Linken zwischen jenen, die Verständnis für die russische Position fordern und jenen, die Moskau uneingeschränkt als »Aggressor« bezeichnen, zumindest in den sogenannten sozialen Medien unversöhnlich. Man bezichtigt einander entweder als »CIA-Knecht« oder als Verteidiger russischen »Großmachtstrebens« und »Imperialismus«. Auch mit Nazivergleichen wird mit Blick auf das Agieren Putins gern operiert.
Mit Willi van Ooyen und Reiner Braun reagierten auch zwei Aktivisten der Friedensbewegung auf die jüngsten Ankündigungen aus Moskau mit - moderat formulierter - Kritik an Moskau: »Einseitige eskalierende Schritte - so verständlich sie auch angesichts des Nato-Aufmarsches und der Nato-Osterweiterung sein mögen«, ermöglichten »kaum Verhandlungen«, heißt es in einer Erklärung der Aktivisten, die kürzlich einen Friedensappell gestartet hatten, den mittlerweile gut 10 000 Menschen unterzeichnet haben.
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