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Der Motor im Muskel
Über Moleküle, die uns in Bewegung setzen
Nun haben winterliche Weltklasse-Athleten den Globus wieder zwei Wochen in Atem gehalten. Doch ob Muskeln olympischen Rekorden dienen oder nur dem Anschalten des Fernsehers, um dabei zuzuschauen - sie funktionieren immer gleich.
Da Kraft erzeugt und Leistung erbracht wird, müssen biologische Motoren am Werk sein. Myosin wird das Motorprotein genannt, das in Muskelfasern die chemische Energie des manchem Leser vielleicht noch aus dem Biologieunterricht bekannten ATP in Bewegung umwandelt. Aktin heißt jenes molekulare »Seil«, an dem sich das Motorprotein Myosin bei der Muskelarbeit entlang zieht.
Myosin ist ein fadenförmiges Proteinmolekül, das in einem kugeligen Knäuel endet. Dieser Kugelkopf ist der eigentliche Motor. Wenn er ATP spaltet, wird die freigesetzte Energie - wie bei einem verdrillten Gummi - in einer Strukturänderung des Proteins gespeichert. Dabei richtet sich das Myosinköpfchen auf und bildet eine Brücke zum Aktin. Sowie die Produkte der ATP-Spaltung sich ablösen, knickt das Köpfchen ab. Der Proteinschwanz wird mitgezogen und gleitet am Aktin entlang. Diese Bewegung nennt man »Kraftschlag«. Doch die Brücke zwischen Myosin und Aktin besteht nur sehr kurz. Sobald sich ein neues ATP anlagert, bricht sie auf und der nächste Kraftschlag kann folgen. Das geschieht 10- bis 100-mal pro Sekunde! Fehlt ATP, verkrampft der Muskel. Im Extremfall verursacht das die Todesstarre.
Natürlich vermag ein einzelnes Myosinmolekül nicht eine ganze Muskelfaser zu verkürzen. Dazu muss die Kraft Abertausender Myosinmotoren koordiniert werden. Die kleinste Einheit, in der das geschieht, ist das Sarkomer. Dort sind viele Myosine zu dicken Filamenten gebündelt. Die Köpfchen ragen aus dem Strang heraus. So sehen diese Filamente Tausendfüßern recht ähnlich. Auch Aktin lagert sich zu Filamenten zusammen. Dessen Stränge sind dünn. Im Ruhezustand überlappen die parallel angeordneten Aktin- und Myosinfilamente nur wenig. Doch wird der Muskel aktiv, gleiten sie schnell übereinander. So verkürzt sich das Sarkomer, ohne dass die Länge der Filamente sich ändert.
Tausende Sarkomere lagern sich zu langen Myofibrillen zusammen. Die durchspannen die hoch spezialisierten Riesenzellen, die wir als Muskelfasern bezeichnen.
Unter dem Mikroskop sieht man genau, wo sich dicke Myosinfilamente befinden. Diese Bereiche sind dunkler. Die exakte Anordnung der Sarkomere in unserer Skelettmuskulatur führt zu einem stetigen Wechsel von Hell und Dunkel. Das hat ihr den Namen quer gestreifte Muskulatur eingebracht.
Die Ursachen für die riesigen Unterschiede - nicht nur zwischen der Leistungsfähigkeit von uns Zuschauern und den bewunderten Olympioniken, sondern auch zwischen verschiedenen Muskeltypen - sind im Aufbau der Muskelproteine und im Stoffwechsel der Muskelzellen zu suchen. Ein ATP-Molekül allein liefert immer gleich viel Energie.
Doch ob für alltägliche Verrichtungen, ob für olympische Höchstleistungen - immer ist es die rasche und synchronisierte Verkürzung von Tausenden in jeder Myofibrille hintereinander angeordneten Sarkomeren, die es dem Muskel ermöglicht zu kontrahieren.
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