Kubas schwieriger Spagat

Havannas enge wirtschaftliche Beziehungen zu Russland lassen die Kritik an Moskau zahm und indirekt ausfallen

  • Andreas Knobloch, Havanna
  • Lesedauer: 4 Min.

Kuba hat sich Zeit gelassen mit einer Reaktion auf Russlands Angriffskrieg in der Ukraine. In einer am Samstag veröffentlichten Erklärung macht Kuba die USA und die Nato und »eine fortschreitende militärische Einkreisung« für die Eskalation verantwortlich und wirft dem Bündnis mit Blick auf den Angriffskrieg gegen Jugoslawien »Heuchelei und Doppelmoral« vor. »Die Entschlossenheit der USA, die schrittweise Erweiterung der Nato in Richtung der Grenzen der Russischen Föderation fortzusetzen, hat zu einem Szenario mit unvorhersehbaren Folgen geführt, das hätte vermieden werden können«, so das kubanische Außenministerium. Die derzeitige Situation lasse sich nicht untersuchen, »ohne die berechtigten Ansprüche der Russischen Föderation gegenüber den Vereinigten Staaten und der Nato sowie die Faktoren, die zur Anwendung von Gewalt und zur Nichtbeachtung von Rechtsgrundsätzen und internationalen Normen geführt haben, (…) sorgfältig zu bewerten.«

Der Verweis auf die Nichtbeachtung internationaler Regeln kann als Kritik am russischen Vorgehen gelesen werden. Kuba unterstütze »mit Nachdruck« internationales Recht, das »insbesondere für kleine Länder eine wesentliche Referenz gegen Hegemonismus, Machtmissbrauch und Ungerechtigkeit« darstelle, und lehne »die Anwendung oder Androhung von Gewalt gegen jeden Staat« ab, heißt es in der Erklärung weiter. Es sei ein Fehler gewesen, »jahrzehntelang die begründeten Forderungen Russlands nach Sicherheitsgarantien zu ignorieren«. Russland habe das Recht, sich zu verteidigen. »Wir treten für eine ernsthafte, konstruktive und realistische diplomatische Lösung der derzeitigen Krise in Europa mit friedlichen Mitteln ein, die die Sicherheit und Souveränität aller sowie den regionalen und internationalen Frieden, die Stabilität und die Sicherheit gewährleistet.«

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Die Erklärung versucht einen Spagat, denn die Regierung in Havanna steht vor einem Dilemma. Sie kann nicht den US-Imperialismus und die Monroe-Doktrin von 1823 kritisieren, mit der sich die USA zum Herrscher Amerikas erklärten, und gleichzeitig die russische Invasion und Putin-Doktrin gutheißen, die die Einflusssphäre Russlands auf alle ehemaligen UdSSR-Republiken ausdehnt.

Erschwerend kommt für Kuba hinzu, dass Russland als strategischer Partner gilt. Beide Seiten haben in den vergangenen Jahren neue Abkommen über wirtschaftliche Zusammenarbeit geschlossen. In einem Telefongespräch Ende Januar brachten Wladimir Putin und sein kubanischer Amtskollege Miguel Díaz-Canel ihre Bereitschaft zur Vertiefung der »strategischen Zusammenarbeit« und zur »Stärkung der bilateralen Beziehungen« zum Ausdruck. In den vergangenen Tagen besuchten zwei hochrangige russische Politiker die Insel. Ende vergangener Woche zunächst der russische Vizepräsident Juri Borissow; am vergangenen Mittwoch empfing Díaz-Canel den Präsidenten der Duma, Wjatscheslaw Wolodin - einen Tag nachdem die Duma die Umstrukturierung der jüngsten Schulden Kubas gegenüber Russland im Wert von 2,3 Milliarden US-Dollar bekannt gegeben und deren Rückzahlung bis 2027 gestreckt hatte.

Im Jahr 2014 hatte Moskau Kuba bereits 90 Prozent der Schulden in Höhe von 35,3 Milliarden US-Dollar erlassen. Wohl nicht zuletzt wegen der Liquiditätsengpässe Havannas stockt aber ein Großteil der vereinbarten gemeinsamen Wirtschaftsprojekte. Dafür hat Russland in den vergangenen zwei Monaten insgesamt 83 Tonnen humanitärer Hilfe auf die Insel geschickt, zusätzlich zu den mehr als 200 Tonnen im vergangenen Jahr. Auch ist Russland in der Corona-Pandemie zum wichtigsten Partner im Tourismus aufgestiegen und stellt heute mehr als 40 Prozent aller internationalen Gäste auf der Insel.

Eindeutiger als Havanna positionierte sich derweil Venezuelas Präsident Nicolás Maduro. »Was will die Welt? Dass Präsident Putin tatenlos zusieht und nicht zur Verteidigung seines Volkes handelt?«, fragte Maduro am Donnerstag in einer Fernsehbotschaft, in der er das »US-Imperium« und die Nato direkt für die Geschehnisse verantwortlich machte. Auch Nicaragua stellte sich an die Seite Moskaus. Anfang der Woche bekräftigte die Regierung in Managua ihr Bündnis mit Russland und begrüßte die Entscheidung des Kremls, die Unabhängigkeit der Regionen Donbass und Luhansk anzuerkennen. Präsident Daniel Ortega kritisierte die von der Europäischen Union und den USA gegen Russland verhängten Sanktionen.

Ganz anders Mexiko. »Wir sind uns darüber im Klaren, dass wir es mit einer Invasion zu tun haben, daran gibt es keinen Zweifel mehr«, sagte Außenminister Marcelo Ebrard am Donnerstag in einer Videobotschaft. Präsident Andrés Manuel López Obrador geißelte derweil jede Invasion, egal, von welcher Macht sie ausgeht. Als nicht ständiges Mitglied im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen verurteilte Mexiko am Freitag Russlands Aggression gegen die Ukraine. Der ständige UN-Vertreter Mexikos, Juan Ramón de la Fuente, rief die Parteien zur sofortigen Einstellung der Feindseligkeiten auf und erkannte die Souveränität, politische Unabhängigkeit und territoriale Integrität der Ukraine an.

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