Rechtswidrigkeit der Räumung anerkennen

Stadtrat: Ministerium mischte sich zu Unrecht in Entscheidung zu Aktion von Klimaschützern ein

Um den Vorgang zu verstehen, der derzeit den Rat der Stadt Kerpen und die nordrhein-westfälische Landesregierung beschäftigt, muss man ein paar Jahre zurückblicken. Im Spätsommer 2018 wurden zahlreiche Baumhäuser im Hambacher Forst geräumt. Jahrelang protestierten Umweltaktivisten dort gegen die Erweiterung des nahe gelegenen Tagebaus Hambach. Die Begründung für die Räumung lautete damals, die von den Klimaschützern errichteten Baumhäuser entsprächen nicht gängigen Brandschutzvorgaben. Eine abenteuerliche Argumentation, bei der es nicht um Fakten ging. In einem heimlich aufgenommenen Video räumte der damalige NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) denn auch ein, man habe einen Grund gesucht und ihn mit dem Brandschutz gefunden.

Im vergangenen Herbst bestätigte ein Gericht die Sicht eines der Waldbesetzer, dass die Räumung rechtswidrig war. In der Szene der Klimaschützer wurde das als großer Erfolg gefeiert. Für Kohlefreunde und die Landesregierung war es das nicht. Schnell wies NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU) die Stadt Kerpen an, gegen das Gerichtsurteil vorzugehen. In dem Verfahren war die Kommune die Beklagte gewesen.

Doch der Rat der Stadt Kerpen hatte sich Ende Oktober 2021 entschieden, die Rechtswidrigkeit der Räumung anzuerkennen. Nach der Weisung aus dem Bauministerium legte Kerpens CDU-Bürgermeister trotzdem Berufung gegen die Gerichtsentscheidung ein.

Die anderen im Rat vertretenen Parteien sahen in diesem Vorgang einen Angriff auf die kommunale Selbstbestimmung. Deshalb gaben sie ein Gutachten in Auftrag, um zu erfahren, ob die Intervention der Landesregierung in der Angelegenheit rechtmäßig war. Seit Montagabend liegt die Expertise vor. Darin wird den Ratsmitgliedern bestätigt, dass das Vorgehen der Ministerin ein unzulässiger Eingriff in die kommunale Selbstbestimmung war. Der Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Peter Abels, erklärte dazu, der Bürgermeister habe »mit einer an den Haaren herbeigezogenen Begründung« gegen den Willen des Stadtrates gehandelt.

Die Linke-Ratsfrau Annetta Ristow wird noch deutlicher: »Hier hat Frau Scharrenbach ganz klar ihren Ermessensspielraum überschritten und die Neutralität, der ein Ministerium verpflichtet ist, missachtet«, sagt sie. Sie sieht auch die Gefahr, dass das Negativbeispiel für das Übergehen des Votums des Stadtrates Schule machen könnte.

Eine direkte Folge hat das Rechtsgutachten nicht. Die Revision der Gerichtsentscheidung läuft weiter, auch wenn sie der Stadt Kerpen Kosten verursacht.

Grüne, SPD und Linke im Stadtrat stellen sich gleichwohl weiter geschlossen gegen den Tagebaubetreiber RWE und die Landesregierung. An der Tagebaukante von Garzweiler, an der sonst so oft über die Bedeutung der Arbeitsplätze in der Kohle gesprochen wird, ist das keine Selbstverständlichkeit. Im konkreten Fall geht es aber auch um die grundsätzliche Frage, wie sehr sich das Land in kommunale Entscheidungen einmischen darf. Da wird man in Kerpen weiter genau hinschauen.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -