- Politik
- Politische Gefangene
»Die Repression hat angezogen«
In Deutschland gibt es so viele politische Gefangene wie lange nicht. Linke Gruppen fordern Freiheit
Lina E. aus Leipzig, Ella aus dem Dannenröder Wald oder Jo und Dy aus Stuttgart. Diese vier Menschen sind die bekanntesten Beispiele für Linke, die derzeit in deutschen Gefängnissen sitzen. So viele Linke im Knast gab es lange nicht. Sieht man von Menschen ab, die wegen des Verbots der kurdischen Arbeiterpartei PKK in Deutschland inhaftiert wurden, waren deutsche Haftanstalten lange fast völlig frei von Linken. Abgesehen von Thomas Meyer-Falk, der seit Mitte der 90er Jahre wegen Bankraubs für linke Strukturen im Gefängnis sitzt, und den letzten RAF-Leuten, die bis vor wenigen Jahren inhaftiert waren.
Für die Rote Hilfe, die bundesweite Solidaritätsorganisation für Linke, ist klar: »Die Repression hat eindeutig angezogen.« Das erklärte Anja Sommerfeld aus dem Bundesvorstand des Vereins. Darüber, wie viele politische Gefangene es in Deutschland derzeit gibt, könne die Organisation nichts sagen, so Sommerfeld. Das hänge einerseits mit dem Datenschutz zusammen und andererseits damit, dass »manche Betroffene« nicht prominent als politische Gefangene im Rampenlicht stehen wollten. Oftmals werde die Solidarität auch vor Ort organisiert.
Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann
Sommerfeld zeichnet allerdings auch ein größeres Bild: »Auf alle Fälle lässt sich sagen, dass die Zahl der politischen Gefangenen zunimmt. Wenn wir die Klimaaktivist*innen, Antifas und die kurdischen Exilpolitiker*innen zusammennehmen, ergibt es ein Gesamtbild.« Westliche Staaten wie Deutschland beteuerten zwar oft, dass es bei ihnen keine politischen Gefangenen gebe, das sei aber nicht wahr.
Im Fall von Ella aus dem Danneröder Wald machten jüngst sich widersprechende Aussagen von Beamten des Sondereinsatzkommandos Schlagzeilen, die Ella von ihrem Baum geholt hatten. Sie befand sich unlängst in einem befristeten Hungerstreik gegen ihre Inhaftierung.
Im Prozess um Lina E. und andere Antifaschist*innen warf die Verteidigung der Bundesanwaltschaft vor wenigen Tagen vor, Beweismittel unterschlagen zu haben. Abgehörte Gespräche und Videoaufzeichnungen eines Angeklagten belegen, dass dieser sich zum Zeitpunkt einer vorgeworfenen Tat in Berlin und nicht in Eisenach befand. Dass er damit ein Alibi hat, sei nur dem Zufall geschuldet und nicht den Akten der Bundesanwaltschaft, so ein Sprecher des Solidaritätsbündnisses Ost, das die Angeklagten in dem Verfahren unterstützt.
»Hier folgt ja ein Skandal dem anderen: Die Bundesanwaltschaft unterschlägt entlastendes Material, damit ihr Kartenhaus nicht zusammenfällt. Denn nichts anderes ist ihre Fantasie einer kriminellen Vereinigung«, erklärt Marta Zionek aus dem Unterstützerkreis der Angeklagten zu dem aktuellen Vorfall.
Für die Rote Hilfe ist es ein »Politikum«, dass Lina E. in Untersuchungshaft sitzt. Das zeige, dass es einen Willen gebe, »Widerstand gegen militante Neonazis zu kriminalisieren, komme, was wolle«. Auch die Haftbedingungen für Linke hat die Solidaritätsorganisation im Visier und spricht von »weißer Folter«. Immer wieder seien linke Gefangene von Isolationshaft betroffen. Diese ziele darauf, »Menschen zu zerstören und ihre politische Identität zu brechen«.
Dieses Mittel werde immer wieder gegen Gefangene aus der kurdischen Freiheitsbewegung und andere linke migrantische Organisationen in Stellung gebracht. Diese hätten auch damit zu kämpfen, dass ihnen »rechtsstaatliche Minimalstandards« besonders während der Untersuchungshaft verwehrt würden. Gespräche mit Anwälten würden überwacht oder fänden nur mit Trennscheibe statt. Eine angemessene Prozessvorbereitung sei so nicht möglich, so Anja Sommerfeld von der Roten Hilfe.
Um auf die Situation der politischen Gefangenen aufmerksam zu machen, sind am Wochenende in vielen Städten Veranstaltungen, Kundgebungen und Demonstrationen geplant. Besonders aktiv sind die Solidaritätsbündnisse in den Regionen, aus denen prominente Inhaftierte kommen.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.