- Politik
- Madeleine Albright / Nachruf
Notfalls auch mit Gewalt
Ehemalige US-Außenministerin Albright stand für Machtpolitik
Wenn feministische Außenpolitik anders sein soll als das, was Männer auf der Weltbühne anrichten, dann repräsentierte Madeleine Albright eher das Gegenbild. Als Außenministerin der USA spielte sie die harte Hündin und setzte auf eine Linie, bei der militärische Muskeln zum Spiel gehörten. Dass sie 1997 bis 2001 unter Präsident Bill Clinton als erste Frau auf dem Chefsessel der US-amerikanischen Diplomatie Platz nahm, war ein Medienereignis, brachte aber keinen neuen Politikstil, der statt auf Durchsetzung von Interessen auf Ausgleich setzte.
Albright setzte sich für eine harte US-Außenpolitik ein. Einmal rief sie Colin Powell, dem damaligen Vorsitzenden der Generalstabschefs, zu: »Wozu haben wir dieses großartige Militär, von dem Sie immer reden, wenn wir es nicht einsetzen können?«
Teller und Rand ist der neue ndPodcast zu internationaler Politik. Andreas Krämer und Rob Wessel servieren jeden Monat aktuelle politische Ereignisse aus der ganzen Welt und tischen dabei auf, was sich abseits der medialen Aufmerksamkeit abspielt. Links, kritisch, antikolonialistisch.
Sie war eine der »letzten, überzeugten Protagonistinnen der Ära amerikanischer Hochmut«, schrieb der »Spiegel« in seinem Nachruf. Er traf damit ziemlich genau ihre Haltung: Angetreten, auf internationaler Ebene Krisen zu lösen und dank intensiver Reisediplomatie Chaos zu ordnen, richtete sie oft noch mehr Schaden an. Beispiel Irak: Nach der Invasion Kuwaits durch die irakische Armee im August 1990 verhängte die Uno weitreichende Sanktionen gegen den Irak, vor allem auf Initiative der USA. Madeleine Albright übernahm am 9. Februar 1993 den Posten der UN-Botschafterin ihres Landes, kurz nachdem Bill Clinton seine Präsidentschaft angetreten hatte. In dieser Schlüsselfunktion setzte sie sich für die Fortführung der Sanktionen ein, die das wirtschaftliche Leben der Iraker erdrückten.
Die Zahl der Toten, die indirekt durch die Sanktionen ums Leben kamen, wird bis heute kontrovers diskutiert. Fakt aber ist, dass UN-Botschafterin Madeleine Albright eine hohe Zahl von Todesopfern für akzeptabel hielt. 1996 wurde sie in einem Interview mit der CBS-Sendung 60 Minutes gefragt, ob der Tod von mehr als 500 000 irakischen Kindern durch die von den USA verhängten Sanktionen es wert gewesen sei. Ein UN-Bericht hatte festgestellt, dass zwischen 1991 und Ende 1995 nicht weniger als 576 000 irakische Kinder aufgrund der harten Wirtschaftssanktionen gestorben waren. Ihre Antwort war deutlich: »Ich denke, das ist eine sehr schwere Entscheidung, aber der Preis ist es wert.« Erst viele Jahre später entschuldigte sie sich für diese Worte.
In der Uno agierte sie bisweilen rücksichtslos, legitimierte einen Raketenangriff der USA auf den Irak im Juni 1993 als »Selbstverteidigung« gemäß Artikel 51 der UN-Charta und verhinderte 1996 per Veto die Wiederwahl des damaligen UN-Generalsekretärs Boutros Boutros-Ghali. Besonders aktiv schaltete sich Albright in die Konflikte auf dem Balkan ein. Sie war maßgeblich verantwortlich für die Nato-Entscheidung, ab März 1999 die Bundesrepublik Jugoslawien zu bombardieren - als Reaktion auf die Angriffe jugoslawischer Truppen auf Kosovo-Albaner.
»Meine Denkweise ist München«, sagte sie häufig in Anspielung auf das Münchener Abkommen von 1938, mit dem die Tschechoslowakei den Nazis übereignet wurde. Dort wurde Albright 1937 als Marie Jana Körbelová geboren, in einer jüdischen Familie in Prag, die vor den Nazis flüchten musste. Sie zog für sich daraus den Schluss, auch militärische Gewalt anzuwenden: »Aber wenn wir Gewalt anwenden müssen, dann deshalb, weil wir Amerika sind; wir sind die unverzichtbare Nation«, sagte sie 1998 in einem Interview mit dem US-Fernsehsender NBC.
Die Handschrift ihrer Politik sieht man auch heute noch in Osteuropa. Die erste Nato-Osterweiterung fand 1999 unter Albrights Ägide statt: Polen, Tschechien und Ungarn wurden als Mitglieder aufgenommen. Weitere Erweiterungsrunden folgten 2004, 2009, 2017 und 2020.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.