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Die Haare ordentlich
Dreadlocks abzuschneiden ist keine linke Forderung - im Gegenteil
Es herrscht Krieg und die deutsche Linke streitet sich über Dreadlocks, was sind das nur für Zeiten? Es ist das Jahr 2016, der Krieg im Jemen interessierte bereits damals die »westliche Wertegemeinschaft« weniger als ein stabiler Ölpreis, und Hengameh Yaghoobifarah erlitt eine Art Kulturschock beim Besuch des »Fusion«-Festivals, weil sich dort irgendwelche Linken mit Filzhaaren tummelten. Der Rest war eine große Aufregung um den Kampfbegriff der »kulturellen Aneignung«, der angeblich erklärt, warum Dreadlocks bei Weißen rassistisch sind. Fünf Jahre und einen Carola-Rackete-Hype später schrieb Yaghoobifarah in der »Taz« - für Zeitungsmenschen ungewohnt nachdenklich und selbstkritisch - über »Punkte, bei denen ich falsch lag«. Und kam zu dem Schluss: »Ich kann kulturelle Aneignung peinlich, kitschig oder hässlich finden, und definitiv spielen rassistische Exotikfantasien bei diesem Phänomen eine prominente Rolle, aber die Frisur oder die Klamotten einer Person sollten nicht strenger bewertet werden als ihr Handeln.«
Es scheint jedoch, als müsste jede Generation die Fehler der vorigen wiederholen. So hat das Klimabündnis »Fridays For Future« (FFF) für eine Demonstration in Hannover die Musikerin Ronja Maltzahn wieder ausgeladen - mit Verweis auf ihre Frisur. »Dreadlocks bei weißen Menschen sind eine Form der kulturellen Aneignung«, heißt es in dem Schreiben, in dem es dann grammatikalisch und argumentativ ziemlich durcheinandergeht. Man eigne sich durch die Frisur einen Teil der Kultur an, ohne die Unterdrückung zu erleben, heißt es mit Hinweis auf die Zeiten der Sklaverei. Dass die vorbei sind und dass es sich dabei mitnichten um ein Kultur- oder Identitätsspektakel, sondern um ein politisches und ökonomisches Verhältnis handelte, scheint den Verfassern nicht in den Sinn zu kommen. Der Kabarettist und Autor Richard Schuberth sagte einmal, die Kritik an kultureller Aneignung sei falsch, »wenn die Dreadlocks als Eigentum einer angeblich kollektiven schwarzen Identität gefasst werden. Die kulturelle Aneignung begann schon, als Jamaikaner den Hairstyle der Rastafaris übernahmen, und nichts anderes ist sie, wenn sich Nigerianer und Bewohner Harlems die Haare verfilzen lassen. Sobald wir Dreads aber bei Menschen dunkler Hautfarbe als irgendwie schlüssiger und ›arttypischer‹ empfinden als bei Menschen käsigerer Pigmentierung oder etwa bei einem Marokkaner als natürlicher als bei einer Portugiesin, dann ist unser Erkenntnisapparat nicht nur falsch verschraubt, sondern dann haben wir ein ganz, ganz schweres Rassismusproblem.«
Von solchen Fallstricken unbeeindruckt gab FFF der unter Anklage stehenden Musikerin noch einige pädagogische und praktische Ratschläge: »Wir hoffen, dass du dich damit auseinandersetzt, und wir bieten dir an, bei Bedarf in den Tagen nach der Demo diesbezüglich in einen Austausch zu gehen. Solltest du dich bis Freitag entscheiden, deine Dreadlocks abzuschneiden, würden wir dich natürlich auf der Demo begrüßen und spielen lassen.« Wie gnädig. Und wie aufschlussreich, denn der blinde Fleck dieses hyperkritischen Abkanzelns ist die tatsächlich politische Dimension dieser Aufforderung, sich die Dreadlocks abzuschneiden. Das ist nämlich eine gängige Maßregelung von Menschen noch in den miesesten Niedrigstlohnjobs im hinterletzten Fastfood-Schuppen, bei der man durchaus einmal überlegen könnte, ob diese nicht mit Recht als rassistisch bezeichnet gehört. Und hierzulande raunzte der damalige SPD-Vorsitzende Kurt Beck einen Arbeitslosen an: »Wenn Sie sich waschen und rasieren, haben Sie in drei Wochen einen Job.« In der Forderung nach der richtigen, der ordentlichen Frisur steckt der Klassendünkel. Die vom Hamburger Reichennachwuchs angeführte Bürgerkinderrevolte FFF bedient eben jenen Habitus, der ihr in Fleisch und Blut übergegangen ist: Immer von oben herab. Sie nennen es allerdings Solidarität - nur mit wem?
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