Tourismus als Sanktionsverstoß

US-Gericht verurteilt vier der größten Kreuzschifffahrtsunternehmen wegen Durchbrechung der Kuba-Blockade

  • Andreas Knobloch, Havanna
  • Lesedauer: 4 Min.

In Florida ist vor einigen Tagen ein weitreichendes Urteil gesprochen worden. Ein Bundesgericht in Miami erklärte, vier der weltweit größten Kreuzfahrtgesellschaften - Carnival, Norwegian, Royal Caribbean sowie MSC Cruises - seien an »verbotenen touristischen Aktivitäten« und »Handel« mit verstaatlichtem Besitz beteiligt gewesen, indem sie Passagiere nach Kuba beförderten und von der Nutzung der von der kubanischen Regierung nach der Revolution beschlagnahmten Hafenanlagen in Havanna profitierten. Es ist die erste Entscheidung dieser Art. Sie dürfte sich auf ähnliche Klagen auswirken; Konsequenzen für den Kreuzfahrttourismus nach Kuba sind dagegen schwer abzusehen.

»Indem sie den Terminal und einen seiner Piers auf verschiedene Weise nutzten, begingen Carnival, MSC, Royal Caribbean und Norwegian illegalen Handel«, so die Bundesrichterin Beth Bloom in ihrer Urteilsbegründung. Die Unternehmen zahlten »Millionen von Dollar an die kubanische Regierung für unzulässige Reisen«, heißt es an anderer Stelle. Die in Miami erscheinende Tageszeitung »Nuevo Herald« spricht von 138 Millionen US-Dollar, die die kubanische Regierung insgesamt erhalten habe.

Die Kreuzfahrten der Unternehmen nach Kuba stellten »touristische Aktivitäten« dar, so das Gericht. Es seien keine Aktivitäten, die geeignet sind, direkte Kontakte zwischen US-Amerikanern und Kubanern, so genannte People-to-People-Kontakte, zu fördern, wie es US-Regularien vorschreiben. Nach der US-Blockadegesetzgebung waren die Kreuzfahrtgesellschaften nur berechtigt, US-Amerikaner zu befördern, die unter einer der zwölf gesetzlichen Kategorien reisten. Dazu zählen religiöser, kultureller oder sportlicher Austausch. Touristische Aktivitäten waren zu jeder Zeit gesetzlich verboten. Stattdessen hätten die vier Unternehmen Verträge mit staatlichen kubanischen Unternehmen geschlossen, um »touristische Dienstleistungen« anzubieten, darunter Strandausflüge, Nachtclubbesuche und Stadtbesichtigungen, die nach Ansicht der Richterin »klassische« touristische Aktivitäten darstellen. Die Unternehmen argumentierten, ihre Reisen dienten der Bildung und förderten den People-to-People-Austausch.

Eingereicht hatte die Klage Havana Docks, ein Unternehmen, das eine Konzession für den Betrieb des Hafens von Havanna hatte. Havanna Docks wirft den vier Kreuzfahrtgesellschaften vor, den Hafen von Havanna genutzt zu haben, als zwischen 2015 und 2019 Kreuzfahrtschiffe nach Kuba fahren durften.

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Im Jahr 2020 hatte ein Gericht die Klage von Havana Docks gegen Norwegian und MSC noch zurückgewiesen. Begründet wurde dies damals damit, dass es sich bei dem Eigentumsanteil des Klägers um einen Pachtvertrag handelte, der im Jahr 2004 auslief. Havana Docks hätte demnach nur Ansprüche nach Titel III aus der Zeit zuvor geltend machen können.

»Richterin Bloom hat ihre früheren Entscheidungen in den Havana-Docks-Klagen gegen die vier Kreuzfahrtgesellschaften aufgehoben. Man könnte argumentieren, dass sich ihre Ansichten seit Mai 2019, als die Klagen eingereicht wurden, weiterentwickelt oder geändert haben«, sagt John Kavulich, Präsident des in New York ansässigen US-Cuba Trade and Economic Council, der das Verfahren aufmerksam verfolgt, gegenüber »nd«. Einen Zusammenhang zur harten Haltung der US-Regierung Joe Biden gegenüber Kuba sieht er nicht. Ermöglich wurde die Klage durch den Libertad Act, auch Helms-Burton-Gesetz genannt, eine 1996 vom US-Kongress erlassene Verschärfung der US-Blockade gegen Kuba. Donald Trump hatte Anfang 2019 als erster Präsident die Klauseln III und IV aktiviert und somit erst Schadensersatzklagen vor US-Gerichten gegen Unternehmen, die nach der Revolution verstaatlichten Besitz nutzen, ermöglicht.

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Der Fall Havana Docks gegen die vier Kreuzfahrtunternehmen wird nun vor einem Geschworenengericht verhandelt, das für Mai anberaumt ist. In diesem wird über den von den Kreuzfahrtgesellschaften zu zahlenden Schadenersatz entschieden. »Die vier Kreuzfahrtunternehmen stehen vor der Entscheidung: Entweder sie akzeptieren ein Schwurgerichtsverfahren oder sie verhandeln einen Vergleich«, sagt Kavulich, gibt aber zu bedenken, »dass die Geschworenen aus der Gegend von Miami, Florida, stammen und mit Sicherheit auch Personen kubanischer Abstammung umfassen werden«.

Inwieweit das Urteil Auswirkungen auf den Kreuzfahrttourismus nach Kuba haben wird, ist unklar. Derzeit ist dieser aus den USA ohnehin nicht möglich, seit Präsident Donald Trump Mitte 2019 neue Reisebeschränkungen für Kuba erlassen und dabei unter anderem Kreuzfahrten aus den USA auf die Insel untersagt hat. Die Regierung Biden hat diese Regelung fortgeführt. Europäische Kreuzfahrtunternehmen mit Vermögenswerten in den USA, die weiter Kuba anlaufen, laufen daher Gefahr, ebenfalls verklagt zu werden.

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