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Rückzug nach Überlastung
Familienministerin Anne Spiegel tritt nach Kritik an ihrem langen Urlaub in der Flutkatastrophe zurück
Montagnachmittag war es soweit. Nach massiver Kritik trat Bundesfamilienministerin Anne Spiegel zurück, »um Schaden vom Amt abzuwenden, das vor großen politischen Herausforderungen steht«. Ein kurzes, schriftliches Statement reicht der Rheinland-Pfälzerin, um ihr Amt abzugeben. Viele Beobachter hatten schon am Sonntagabend mit einem Rücktritt gerechnet. Um 21.15 Uhr hatte Spiegel zu einem Pressestatement eingeladen. Zu viel schien in den vorangegangenen Tagen über sie berichtet worden zu sein. Ein vierwöchiger Urlaub, kurz nach der Flutkatastrophe im Juli 2021, falsche Angaben zur Teilnahme an Sitzungen des rheinland-pfälzischen Kabinetts. Und die älteren Vorwürfe, dass Spiegel kurz nach der Flut mehr auf ihr Image achtete, als für Katastrophenhilfe zu sorgen, waren auch noch nicht ausgeräumt. Also eine ganze Reihe von Problemen, die im ähnlichen Fall der nordrhein-westfälischen Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) am vergangenen Donnerstag zu einem Rücktritt geführt hatten.
Entgegen ihren bisherigen familiären Absprachen thematisierte Spiegel, dass ihr Mann 2019 einen Schlaganfall hatte. Er sei deswegen »sehr stark belastet«. Die Corona-Pandemie habe die Familie mit vier kleinen Kindern zusätzlich geschlaucht. Auch die politische Arbeit sei für Spiegel anstrengend gewesen. Zusätzlich zum rheinland-pfälzischen Familienministerium hatte sie im Januar 2021 das Umweltministerium übernommen. Bei den Landtagswahlen im März des vergangenen Jahres trat sie außerdem als Spitzenkandidatin der Grünen an. »Das war im Nachhinein ein Fehler. Es war zu viel«, erklärt Anne Spiegel am Sonntagabend mit immer wieder stockender Stimme. Am Sonntagabend entschied sich Spiegel noch gegen die Rücktrittserklärung, die später folgte. Den Urlaub im vergangenen Sommer habe die Familie gebraucht. Es sei allerdings ein Fehler gewesen, dass der Urlaub vier Wochen gedauert habe. Auch einen anderen Fehler gestand Spiegel bei ihrem Statement ein. Sie habe, anders als sie bisher gesagt hat, nicht per Video an einer Sitzung des rheinland-pfälzischen Kabinetts teilgenommen. Allerdings sei sie immer erreichbar gewesen. Für den Besuch in einer Kläranlage im Kreis Ahrweiler hatte Spiegel ihren Urlaub Anfang August für einen Tag unterbrochen. Generell hatte sie ihre Amtsgeschäfte an ihren Staatssekretär abgegeben.
Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann
In der SPD hatte man sich kurz vor Spiegels Rücktritt noch freundlich über die Ministerin geäußert. Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer bekräftigte, dass auch in Spiegels Urlaub ein Vertreter des Umweltministeriums an den Kabinettssitzungen teilgenommen hat. Bundeskanzler Olaf Scholz ließ am Montag durch seine Sprecherin Christiane Hoffmann mitteilen, dass er »eng und vertrauensvoll« mit Spiegel zusammenarbeite. Der Bundeskanzler habe das Statement am Sonntagabend gesehen. Es habe ihn »persönlich bewegt und betroffen gemacht«. Spiegels Auftritt sei menschlich sehr beeindruckend gewesen.
Bei den Grünen soll die Unterstützung für Spiegel hingegen schon am Sonntag nicht groß gewesen sein. Die »Bild«-Zeitung berichtete von einem Treffen mit der Partei- und Fraktionsführung sowie den Ministern Annalena Baerbock und Robert Habeck, bei dem sich alle dafür ausgesprochen haben sollen, dass Spiegel zurücktritt. Sie soll um eine weitere Chance gebeten haben. Kurz nach Spiegels Rücktrittserklärung traten am Montag die Grünen-Vorsitzenden Ricarda Lang und Omid Nouripour vor die Presse. Lang erklärte, es seien »schwere Stunden« für die Partei gewesen. Man habe »größten Respekt vor dem Mut und der Klarheit«, mit der sich Spiegel geäußert hatte. Nouripour bezeichnete Spiegels Rücktritt als »richtig«, bei aller Härte und so schwierig die Entscheidung gewesen sei. Außerdem kündigte Nouripour an, dass die Grünen »zeitnah« einen Vorschlag für die Nachfolge Spiegels machen werden.
Unabhängig vom Rücktritt ist in den sozialen Medien eine Debatte über Menschlichkeit und die Vereinbarung mit der Familie ausgebrochen. Viele Unterstützer Spiegels beklagen, dass an einer Frau ein Exempel statuiert werden solle. Reyhan Sahin, bekannter als Rapperin Lady Bitch Ray, sprach im Zusammenhang mit den Vorwürfen gegen Spiegel von »Geschlechterrollenbildern wie aus der Steinzeit«. Männer würden versuchen, Spiegel zurechtzuweisen, wenn sie forderten, dass sie nicht ins Ministerium gehöre, sondern sich um Mann und Kinder kümmern solle.
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