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- Deutsche Wohnen & Co enteignen
Den Kapitalismus austreiben
Die Vergesellschaftung soll auch mit der Wachstumslogik brechen
»Selbstverständlich werden wir alles tun, dass jeder nach seinem Geldbeutel gut hier leben kann und auch lange in seiner Wohnung bleiben kann«, sagt Mieterschutz-Staatssekretärin Ülker Radziwill (SPD) ziemlich zu Beginn der Podiumsdiskussion am Montagabend im »Refugio« in Neukölln. Eingeladen haben die Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen, der Berliner Mieterverein sowie das Initiativenforum. Thema des Abends: »Vom Mietenwahnsinn zur Vergesellschaftung«.
Radziwill hat es nicht leicht in der Runde, schließlich setzen führende Sozialdemokraten vor allem auf das Bündnis für Wohnungsneubau und bezahlbare Mieten. Das seien »keine einfachen Verhandlungen mit dem Wohnungsbündnis«, an dem sich auch Private beteiligen sollen, räumt Radziwill ein. »Aber der Druck des Volksentscheids gibt in den Gesprächen Rückendeckung.« Die SPD-Politikerin erklärt, dass alle wüssten, »dass es um einen freiwilligen Verzicht geht - wir verhandeln aber, in welcher Höhe das ist«. Radziwill verweist darauf, dass es auch in der SPD viele gebe, die die Vergesellschaftung großer Immobilienkonzerne unterstützt haben. Wie sie persönlich dazu steht, will sie nicht verraten.
Einer der Sozialdemokraten, die den Sozialisierungs-Artikel 15 des Grundgesetzes zur Anwendung bringen wollen, ist Tim Wihl. Er ist Professor für Öffentliches Recht und neuere Rechtsgeschichte an der Universität Erfurt. »Eigentlich müsste man davon ausgehen, dass die SPD große Sympathien für Artikel 15 hat. Das ist heute nicht immer zu erkennen«, bedauert er. Er sei vor allem ökologisch orientiert. Nur über die Gemeinwirtschaft komme man weg vom Wachstumszwang. Er spricht auch über die vielen Hürden der Umsetzung. Eher nicht dazu zählt er, dass die Berliner Verfassung die Anwendung von Artikel 15 verhindere. Diese Ansicht vertreten von der SPD benannte Juristen der Expertenkommission, die nun ein Jahr Zeit haben soll, Wege zur Umsetzung des erfolgreichen Volksentscheids Deutsche Wohnen & Co enteignen zu prüfen. Das sei aber nicht die »herrschende Meinung«, so Wihl.
»Die Kommentarliteratur hat sich seit 1949 viele Restriktionen ausgedacht«, erläutert Wihl. Er finde es angesichts der vielen Klippen - so auch in der Frage der Entschädigungshöhe - »richtig, dass in der Kommission nicht nur Leute vertreten sind, die SPD-, Grünen- oder Linke-nah sind«.
»Meine Position ist, dass man Fan des Grundgesetzes sein und trotzdem den Kapitalismus doof finden kann«, sagt Justizsenatorin Lena Kreck (Linke). »Was wir hier vorhaben, ist deswegen eine so große Sache, weil es an den Grundfesten des Kapitalismus ein Stück weit rüttelt«, so Kreck weiter. Wie zuvor Wiehl geht auch sie auf die Arbeitsweise der Kommission ein. Es werde Mehrheits- und Minderheitsvoten geben können, große Transparenz, außerdem könne jedes Mitglied auch noch externe Expertise einholen.
Kreck sagt, sie haben ein »starkes Interesse, dass Artikel 15 nicht über das Bundesverfassungsgericht totgemacht wird«. Dafür werde sie streiten. »Die Linke wird nicht müde, dafür einzustehen, dass es zur Vergesellschaftung kommt«, verspricht sie.
Zwischen der Initiative und der Linkspartei ist es zu größeren Spannungen gekommen. Den Sozialisten wurde der Bruch von Absprachen vorgeworfen. Lena Kreck wirbt, wie Ülker Radziwill von der SPD auch, dafür, dass die Sozialisierungsinitiative sich an der Kommission beteiligt und wie jeder der Koalitionspartner ebenfalls drei Mitglieder benennt. Die Entscheidung sollte bei einem Plenum am Dienstagabend nach Redaktionsschluss dieser Zeitung fallen. Die Signale sind vorsichtig positiv.
»Auch ein Volkswille muss am Ende vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand haben«, warnt Reiner Wild, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, vor Hudelei bei einem Sozialisierungsgesetz. Und verweist auch auf die mit rasant gestiegenen Energiepreisen aktuell aufgekommene »zusätzliche soziale Frage beim Wohnen«. Potenziell steigende Zinsen könnten Spielräume reduzieren. Wild ist aber davon überzeugt, dass eine Entschädigung unter Verkehrswert möglich sei.
»Ob der Staat etwas zuschießen muss, muss man sehen«, sagt Werner Graf, Co-Chef der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus. »Ich gehe aber davon aus, dass wir einen Großteil bis sehr, sehr viel über die Mieten finanzieren können.« Wichtig in der Begründung eines Gesetzes sei auch die Frage: »Geht es um das Ziel eines anderen Wirtschaftssystems oder einfach nur um billigere Mieten?«
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