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Der linke Mann ist längst zur Karikatur geworden
Es reicht nicht, feministische Theorie zu kennen, sondern sie muss auch in die Praxis umgesetzt werden, fordert Livia Sarai Lergenmüller
Ob »linke Magger«, »linke Menners« oder »Typen von Antifamackern« - über die verschiedenen Arten linker cis Männer wird sich mittlerweile in zahlreichen Meme-Sammlungen lustig gemacht. Da ist zum Beispiel der »perfekte Feminist«, wie auf dem Instagram Account »Hoeviet Union Memes« zu lesen ist. Er steht am 8. März in der ersten Reihe, obwohl es ein Flinta-Block, also nur für Frauen, Lesben, intergeschlechtliche, nicht-binäre, trans und agender Personen ist. Er teilt allen mit, wie reflektiert er ist, weiß aber irgendwie nicht genau, was Konsens ist und denkt, er merkt schon, wenn die Frau nicht will. Ein Feminist, weil er Frauen geil findet.
Oder der »Theoriefetischist«: Er hat laut »Hoeviet Union Memes« Hegel verstanden, erklärt es dir auch gern, aber Verständnisfragen dürfen erst nach drei Stunden Monolog gestellt werden. Er würde gern mit dir eine Debatte führen, aber du hast leider noch nicht so viel gelesen wie er. Zudem findet er dich in Diskussionen sehr emotional. Seine politische Arbeit besteht darin, Texte zu schreiben, die nicht einmal seine eigenen Genoss*innen lesen.
Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann
Dann wäre da noch der »antideutsche Softboy«: Er hat für jede Situation ein Adorno-Zitat parat, ganz nach dem Motto ›Es gibt kein falsches Zitat im richtigen Kontext.‹ Der Softboy hält sich für empathisch, aber redet nur über sich selbst. Er lebt polyamourös, aber achtet nur auf seine Bedürfnisse und studiert seit zwölf Jahren Soziologie. Das ist nur ein kleiner Ausschnitt. Der linke Mann, er ist längst zur Karikatur geworden.
Was zunächst Anlass zum Schmunzeln bietet, hat sein strukturelles Ausmaß in der vergangenen Woche einmal mehr zum Ausdruck gebracht. Nun zeigt sich auch auf institutioneller Ebene, dass sexistisches und übergriffiges, gewaltvolles Verhalten von Männern innerhalb der Linken ein Problem ist. Viele linke Männer scheinen Theorie und Praxis einfach nicht so recht verbinden zu wollen. Wer sich links und Feminist nennt, kann zwar oftmals gekonnt feministische Theorie zitieren und hat die entsprechenden Phrasen brav auswendig gelernt. Diese dann auch auf das eigene Verhalten anzuwenden, scheint jedoch oft nicht mehr ganz so wichtig.
Das beginnt schon bei Banalitäten. Ein besonders beliebtes Phänomen: Männer, die einem permanent ins Wort fallen, sich danach aber stets entschuldigen. Für die Außenwirkung reicht es schließlich, das Problem erkannt zu haben.
»Sexismus und Antifeminismus scheinen in der Linken auch auf, wenn ausschließlich cis Männer bei Demonstrationen in die erste Reihe drängen, oder wenn manche Theorie-Experten den Wunsch von Genoss*innen abwehren, ihren männlichen Habitus zu hinterfragen«, schreibt die Soziologin Carolin Wiedemann. Viele scheinen, einmal den Titel »Feminist« als Eigenbezeichnung gewählt, ihr moralisches Soll erfüllt zu haben. Dass feministische Praxis einer andauernden Reflexion und Dekonstruktion erlernter männlicher Verhaltensmuster bedarf, so genau muss man es dann wohl nicht mehr nehmen.
Die jüngsten Enthüllungen von sexualisierter Gewalt innerhalb der Linkspartei zeigen dies auf besonders traurige Weise. Denn offensichtlich greift auch in einer Partei, die ihre feministische und antipatriarchale Haltung in ihrem Gründungsdokument festgeschrieben hat, das altbekannte MeToo-Muster: Männer in Machtpositionen nutzen diese schamlos aus. Für Frauen und Queers bedeutet dies, dass wir uns, selbst in vermeintlich sicheren Räumen, noch immer potenziell mit sexualisierter und sexistischer Gewalt konfrontiert sehen.
»Sehr viel war unsensibel, relativierend, unsolidarisch« - Wie müsste sich die Linkspartei aufstellen, um ihrem feministischen Anspruch gerecht zu werden?
Als cis Mann links zu sein bedeutet, feministische Anliegen ernst zu nehmen. Kritische Männlichkeit ist nicht einfach nur ein möglicher weiterer Aspekt des Linksseins. Vielmehr sollte der Kampf gegen patriarchale Strukturen zentral sein. Daher reicht es auch nicht, feministische Phrasen einfach nur nachzusprechen. Stattdessen müssen sich diese in den Alltag übersetzen.
Vielleicht kann es dann bald ein Meme über einen linken Typen geben, der Theorie nicht nur gelesen hat, sondern sie auch ins Handeln übersetzt. Der sein Auftreten wirklich reflektiert und sein problematisches Verhalten erkennt, ändert und von seinem Umfeld Gleiches einfordert. Das wäre zwar nicht mehr so unterhaltsam, würde uns aber ein gutes Stück voranbringen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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