- Politik
- 1. Mai in Berlin
Viele Pfiffe und ein Ei gegen Giffey
Die Regierende Bürgermeisterin verließ auf der Gewerkschaftskundgebung in Berlin vorzeitig die Bühne
Knapp zehn Minuten dauerte es, dann verließ Franziska Giffey (SPD) die Bühne der zentralen DGB-Veranstaltung vor dem Brandenburger Tor in Berlin. Die Einladung der Regierenden Bürgermeisterin war in den vergangenen Tagen bei vielen Gewerkschafter*innen auf Kritik gestoßen. Der Unmut darüber wurde auf vielen Transparenten und Schildern ausgedrückt, die während ihrer Rede rund um die Bühne zu sehen waren. »Von der Krise zur Enteignung« stand auf einem Banner der Stadtteilinitiative »Hände weg vom Wedding«, die sich vor einigen Monaten mit der Berliner Aktion gegen Arbeitgeberunrecht (Baga) vereinigt hat. Baga organisiert seit Jahren außerbetriebliche Unterstützung für Arbeitskämpfe.
Erstmals seit zwei Jahren hatte der Gewerkschaftsbund in diesem Jahr wieder eine Demonstration am 1. Mai angemeldet, Baga rief zur Beteiligung des Umzugs in einem Klassenkampfblock auf. Dort waren viele jener Slogans zu sehen, die dann auch bei Giffeys Rede rund um die Bühne auftauchten. Die zügige Umsetzung des erfolgreichen Volksbegehrens Deutsche Wohnen und Co. enteignen gehörte zu den zentralen Forderungen.
Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann
Giffey ging in ihrer Rede darauf ein. Sie betonte, dass eine Kommission, in der auch Vertreter*innen von Deutsche Wohnen enteignen vertreten sind, ihre Arbeit aufgenommen und der Senat damit Wort gehalten habe. Allerdings befürchten viele, dass die Umsetzung des Entscheids mit dieser Kommission auf die lange Bank geschoben werde. In Sprechchören wurde immer wieder »Volksbegehren umsetzen« gerufen. Als Giffey dann noch die Berliner Polizei lobte, wurden die Proteststimmen auf der Kundgebung noch lauter. Letztlich flog ein Ei Richtung Bühne, und Giffey trat vorzeitig ab.
Auch die Rede von Reiner Hoffmann wurde von Protesten begleitet. Zustimmung bekam der DGB-Vorsitzende, als er angesichts der wachsenden Inflation mehr Lohn forderte. Protest kam auf, als er der Berliner Landesregierung bescheinigte, mit ihrer Sozialpolitik auf einen guten Weg zu sein. Auch Hoffmanns Auslassungen zum Ukraine-Konflikt stießen bei einem Teil des Publikums auf Widerspruch. Einig war man sich in der Verurteilung des Angriffs der russischen Armee auf die Ukraine. Die Kritiker*innen monierten aber, dass seine Kritik an der Aufrüstungspolitik der Nato zahnlos sei.
Immerhin betonte Hoffmann, dass der Gewerkschaftsbund das Ziel der Nato, zwei Prozent des Bruttosozialprodukts für weitere Aufrüstung auszugeben, nicht teile. Er erinnert zudem daran, dass man dieses Geld für den dringend nötigen sozial-ökologischen Umbau in der EU brauche. Den Green-New-Deal nannte Hoffmann das beste Mittel, um rechte Nationalist*innen und Autokrat*innen in der Europäischen Union abzuwehren. Im Publikum wurde deutliche Kritik an der Aufrüstungspolitik auch der Bundesregierung geübt. »Stoppt die Ostlandreiter nicht erst vor Stalingrad« hat eine ältere Gewerkschafterin auf ihr Schild geschrieben. »100 Milliarden für die Pflege statt für die Bundeswehr«, forderte ein jüngerer Gewerkschafter mit Verdi-Weste.
Meinungsverschiedenheiten über die deutsche Aufrüstung sorgten auch in anderen Städten im Vorfeld des 1. Mai für Diskussionen. In Bremen wurde dem langjährigen Betriebsrat bei Daimler Bremen und Unterstützer des roten Blocks, Gerhard Kupfer, vom DGB-Vorstand untersagt, am 1. Mai im Block des Gewerkschaftsbundes mitzulaufen. Der rote Block hatte im Vorfeld kritisiert, dass auf der Abschlusskundgebung von einem Redner weitere Waffen der Nato an die Ukraine gefordert werden sollte. Die Kritiker*innen der Waffenlieferungen liefen dann am Ende der Demonstration mit.
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) forderte in Anspielung auf die massive Aufrüstung der Bundeswehr auf einer Kundgebung in Essen, ein ebensolches Sondervermögen über 100 Milliarden Euro für die Bildung einzuführen. Mit diesem Geld sollten Maßnahmen finanziert werden, um die Chancengleichheit zu verbessern, erklärte die GEW-Vorsitzende Maike Finnern den Vorstoß.
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