8. Mai – arbeitsfrei

Auf die Antifaschistin Esther Bejarano gehen verschiedene Initiativen zurück, die fordern, den Tag der Befreiung zum Feiertag zu machen

Gefeiert wird der 8. Mai an vielen Orten. Ein Feiertag ist er aber in Deutschland nirgendwo. Das soll sich ändern. 175 000 Menschen haben eine Petition unterschrieben, die sich für einen Feiertag ausspricht.

Am 26. Januar 2020, einen Tag vor dem 70. Jahrestag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz, hatte Esther Bejarano einen Brief an die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel und an Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier geschrieben. Bejarano, die Auschwitz überlebte, zeichnete in ihrem Brief ein bitteres Bild von Deutschland 70 Jahre nach Kriegsende. Sie forderte: »Der 8. Mai muss ein Feiertag werden!« Dies sei seit sieben Jahrzehnten überfällig und helfe vielleicht zu begreifen, dass es ein »Tag der Befreiung war«. Ein Feiertag könne eine Gelegenheit sein, über die großen Hoffnungen der Menschheit nachzudenken, über »Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – und Schwesterlichkeit«. Dann könne vielleicht irgendwann gesagt werden: »Wir haben aus der Geschichte gelernt.«

Esther Bejarano ist am 10. Juli 2021 im Alter von 96 Jahren gestorben. Dass ihr Wunsch nach einem bundesweiten Feiertag am 8. Mai erfüllt wird, konnte sie nicht mehr erleben. In Berlin war der Tag im Jahr 2020 einmalig Feiertag. In Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen ist er offizieller Gedenktag. In den anderen Bundesländern hat er keinen besonderen Status. Das soll sich ändern, auch im Andenken an Esther Bejarano.

Einen Schritt hin zum Feiertag ist die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) am Donnerstag gegangen. In einer Online-Petition 175 000 Unterschriften dafür gesammelt, dass der Tag der Befreiung Feiertag werden soll. Die Listen übergab der VVN-Bundesvorsitzende Florian Gutsche am Donnerstag an Bodo Ramelow. Der Thüringer Ministerpräsident nahm sie in seiner Funktion als amtierender Bundesratspräsident entgegen und zeigte sich aufgeschlossen. Er werde das Anliegen mit seinem Unterstützungsvotum versehen, sagte Ramelow. Dass der 8. Mai in Thüringen seit 2015 Gedenktag ist, sei ein »erster Schritt auf dem Weg zum Feiertag«.

Ramelow sprach auch über Richard von Weizsäcker, der am 8. Mai 1985 als Bundespräsident vom Tag der Befreiung sprach, als erster hochrangiger Vertreter der Bundesrepublik. Ein Feiertag müsse im Sinne von Weizsäckers Rede gestaltet werden, so Ramelow, der erzählte, wie diese Rede dazu führte, dass sich viele Menschen erstmals mit der lokalen NS-Geschichte auseinandersetzten. Ein Feiertag 8. Mai sei wichtig, um »mit nachkriegsdeutschen Erinnerungslügen umzugehen«, so der Thüringer Ministerpräsident. Er wolle sich gerne dafür einsetzen, den Tag als »zentralen Fixpunkt unserer Geschichte« zu verankern.

Den 8. Mai als Feiertag verankern, ist auch Ziel der Linken im Bundestag. Wiederholt hat die Fraktion einen entsprechenden Antrag gestellt. Der Abgeordnete Sören Pellmann argumentierte gegenüber »nd« ähnlich wie Bodo Ramelow. Anders als in der DDR sei der Tag in Teilen der bundesdeutschen Gesellschaft, »insbesondere aber in der politischen Funktionselite« als ein Tag der Niederlage wahrgenommen. Eine Änderung habe es erst mit der Weizsäcker-Rede gegeben. Bis heute gebe es allerdings bei Abgeordneten aus dem bürgerlichen und konservativen Spektrum »Vorbehalte«, den Tag zum Feiertag aufzuwerten. Pellman glaubt, dass es auch eine Rolle spielt, dass »einige Fraktionen im Bundestag als verlängerter Arm der Arbeitgeberlobby agieren« und schon deshalb kein Interesse an einem zusätzlichen Feiertag haben.

Auf der Straße wollen sich am Sonntag verschiedene Initiativen in Dortmund für den Feiertag einsetzen. Die Naturfreunde-Jugend in Nordrhein-Westfalen hat ein Bündnis geschmiedet, das von Antifa-Gruppen bis zur SPD reicht. Auch ihre Forderung geht zurück auf Esther Bejarano. Frederic Genn hofft, mit der Forderung »realpolitisch in die Offensive zu kommen« und nicht mehr nur auf Faschisten zu reagieren. Ziel der Dortmunder Demonstration sei es, auf die Landespolitik in Nordrhein-Westfalen einzuwirken. Erste Gespräche habe es gegeben, die SPD-NRW unterstützt den Aufruf zur Demo am 8. Mai. Das Ziel ist für Genn klar: Der Tag der Befreiung soll im nächsten Koalitionsvertrag als Feiertag verankert werden. In Westdeutschland wäre das ein Novum. Bisher wird der 8. Mai nur im Osten gewürdigt.

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