- Politik
- Die Linke im NRW-Wahlkampf
»Wer das Programm hört, ist begeistert«
Die NRW-Linke wird wohl nicht in den Landtag einziehen. Im Wahlkampf sorgt das für Lockerheit
Es ist ein Fremdeln mit dem Establishment, das Die Linke im Wahlkampf für den nordrhein-westfälischen Landtag vielleicht noch besser herausstellen können: der 1. Mai in Dortmund. Die Spitzenkandidat*innen von SPD, Grünen und CDU haben sich hinter einem Transparent auf der Demonstration des DGB versammelt: »GeMAInsam Zukunft gestalten«, steht auf dem Transparent. Eingeladen sind auch die Spitzenkandidaten von FDP und Linken. Joachim Stamp von der FDP nimmt nicht teil, weil er im Stau steht. Jules El-Khatib, Landessprecher der Linken in NRW und gemeinsamer Spitzenkandidat mit Carolin Butterwegge, ist auf der Demo. Auf das »GeMAInsame« gestalten der Zukunft mit CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst hat er keine Lust. »Gemeinsam für was?«, fragt er. »Zusammen für Sozialabbau?« Mit Mona Neubaur von den Grünen und Thomas Kutschaty von der SPD hätte sich El-Khatib hinter ein Transparent gestellt. Mit Wüst nicht. Er hält das Bekenntnis für inhaltsleer. Statt sich mit den anderen Kandidat*innen ablichten zu lassen, redet der Spitzenkandidat der Linken lieber mit Demoteilnehmer*innen. Im Jugendblock der Demo werden antikapitalistische Parolen gerufen, einige Mitglieder der Linkspartei-Jugend laufen hier mit. Für den 31-jährigen ein besserer Ort als am Transparent des DGB.
Dass Die Linke gleichberechtigt mit den großen Parteien auftaucht, wie beim DGB, ist in diesem Wahlkampf eine Seltenheit. Seit zehn Jahren ist die Partei in NRW nicht im Landtag. In Umfragen ist es fast zwei Jahre her, dass sie bei fünf Prozent lag. In die Runde der Spitzenkandidat*innen des WDR sind weder Jules El-Khatib noch Carolin Butterwegge eingeladen. Auf Stimmenfang müssen die Linken woanders gehen und das funktioniert teilweise sogar ganz gut. Danach gefragt, wo der Wahlkampf am meisten Spaß macht, sagt Jules El-Khatib, das seien die Podiumsdiskussionen in den Schulen. Der »direkte Austausch« mit vielen jungen Menschen habe etwas gebracht. »Wenn die Leute unser Programm hören und von unserem Inhalt mitbekommen, dann sind sie erstmal begeistert«, erklärt El-Khatib. Er ärgert sich darüber, dass Die Linke »viel zu oft nicht mit Inhalten« in die Öffentlichkeit dränge. Damit spielt der Landessprecher auf die Debatten in und um die Partei in den letzten Wochen und Monaten an. Zum Ukraine-Krieg gibt es aus der Partei unterschiedlichste Äußerungen. Selbst in der Debatte um Waffenlieferungen vertritt sie keine einhellige Position. Dazu kommt der Umgang der Linken mit Sexismus und übergriffigem Verhalten von Mitgliedern, der die Partei in eine tiefere Krise stürzt.
Auf die Wahlchancen der Linken in Nordrhein-Westfalen hatte das auch einen Einfluss. Jules El-Khatib ist sich sicher: »Die Fehler wurden nicht in NRW gemacht, da werden sich andere Fragen stellen müssen. Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht!« Eine ungewöhnliche Feststellung für Die Linke in Nordrhein-Westfalen. Gilt der Landesverband doch seit Jahren als Hort von Streit und Provokationen und wurde immer wieder für abseitige Positionen kritisiert. Das war in den letzten Monaten kaum der Fall. Im Landesverband läuft es halbwegs rund. Die Liste für die Landtagswahl ist breit besetzt. Klimaktivist*innen finden sich dort genauso wie Menschen, die in gewerkschaftlichen Kämpfen oder der Frage um bezahlbaren Wohnraum verankert sind.
Doch all diese Personen und auch das Spitzenduo der Linken haben ein Problem. Sie sind wenig bekannt, gute Redner*innen sind sie auch nicht alle. Das war auch am Dienstagnachmittag in Wuppertal zu beobachten. Die Linke hatte zur Kundgebung geladen. Die lokalen Kandidat*innen sprachen, danach Butterwegge und El-Khatib. Beide sprachen leidenschaftlich. Carolin Butterwegge ist profiliert, wenn es um Armut geht. Jules El-Khatib auch. Plastische Beispiele, wie ungerecht es in NRW zugeht, etwa wenn eine Familie mit fünf Kindern in der Coronakrise mit nur einem Laptop auskommen musste oder es kein kostenfreies Mittagessen in der Schule gibt, konnten beide erzählen. Beim Publikum zündete das aber nicht. Es gab nur freundliches Klatschen.
Jubel brach erst aus, als Sahra Wagenknecht die Bühne betrat. Das »bekannteste Gesicht« der Linken trat in diesem Wahlkampf nur in Wuppertal und Bochum auf. In der Wuppertaler Linken gab es vorher sogar eine Abstimmung, ob man Wagenknecht einladen soll. Sie ging äußerst knapp aus. In Wuppertal macht Wagenknecht dann, was sie am besten kann: einen Rundumschlag aktueller Themen. Der neue Mindestlohn wird von der Inflation aufgesogen. Die erhöhten Preise für Rohstoffe, ein Fest für Mineralöl- und Aggrarlobby. Der Krieg in der Ukraine, ein Ereignis, von dem die Rüstungsfirmen im Westen profitieren. Wagenknechts Thesen sind teilweise waghalsig, etwa wenn sie sagt, die USA und Großbritannien verhinderten einen Frieden in der Ukraine, aber sie kommen beim Publikum gut an. Wo es vorher freundliches Klatschen gab, gibt es jetzt frenetischen Applaus. Nach ihrer Rede wird Sahra Wagenknecht von Fans umringt. Autogramme und gemeinsame Fotos werden gefordert.
Jules El-Khatib und Caroline Butterwegge passiert das nicht. Dabei sind sie viel im Land unterwegs. Egal ob beim DGB, Demos von kurdischen Linken oder den Streiks von Beschäftigten im Erziehungsdienst oder den Unikliniken. Die Spitzenlinken sind immer dabei. In Wählerstimmen wird sich das wohl nicht auszahlen. Die Hoffnung für die NRW-Linke besteht darin, dass sie sich in gesellschaftlichen Auseinandersetzungen tiefer verankert. Das muss allerdings dauerhaft erfolgen. Wenn Die Linke Sonntag nicht in den Landtag kommt, dann hat sie erst 2027 wieder die Gelegenheit dazu.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.