- Politik
- Linke Parteien in Europa
Gegen die Macht der Blöcke
Die Athener Deklaration eines linken europäischen Netzwerkes ruft zu einer neuen Bewegung blockfreier Staaten auf
Ein Zusammenschluss progressiver Kräfte weltweit war das zentrale Anliegen des ersten Kongresses der im griechischen Parlament vertretenen Linkspartei Mera25, die der Bewegung Democracy in Europe Movement 2025 (Diem25) angehört. Sie stand im Zeichen des anhaltenden Krieges in der Ukraine. Ziel der Tagung war es, den Kampf gegen eine Politik zu bündeln, die Demokratie aushöhlt und Kriege zur Normalität macht. Diem25 war 2016 unter maßgeblicher Beteiligung des ehemaligen griechischen Finanzministers Yanis Varoufakis und des kroatischen Philosophen Srecko Horvat mit dem Ziel gegründet worden, die EU zu demokratisieren.
Den Höhepunkt der Veranstaltung bildete am Freitag die Vorstellung einer »Athener Deklaration« durch prominente Köpfe der europäischen Linken. Auf dem Podium der Pressekonferenz in der griechischen Hauptstadt saßen neben Varoufakis als Mera25-Vertreter die im Exil lebende türkische Journalistin Ece Temelkuran und der fraktionslose britische Abgeordnete und frühere Chef der Labour-Partei, Jeremy Corbin.
Im Namen des Netzwerkes Progressive Internationale erläuterten die Drei die Forderungen der Deklaration und ihren Aufruf, international eine neue politische Allianz zu bilden: »Im Geiste des Friedens und der Achtung des menschlichen Lebens wenden wir uns an alle Demokraten auf dem Erdball, ihre Kräfte mit uns zu vereinen und eine neue Bewegung der Blockfreien zu schaffen«, erklärte Varoufakis. In der »Zusammenarbeit bündnisfreier, demokratischer und souveräner Nationen« sehen die Verfasser des Appells den Weg zum Frieden und zur Abwendung der Klimakatastrophe. Alte und neue Nato-Freunde erhalten ebenso deutlich eine Absage wie Autoritarismus und völkerrechtswidrige Gewaltpolitik überhaupt. Mit ihrem Ansatz beziehen sich die Initiatoren zum einen auf die sich für friedliche Koexistenz einsetzende Blockfreien-Bewegung während des Ost-West-Konflikts. Zugleich weiten sie diesen Ansatz auf eine Allianz von Bürgern über die Grenzen von Staaten und Blöcken hinaus aus.
Die Initiative drückt ihre Solidarität mit den unter den Folgen der Invasion leidenden Ukrainern aus. Gefordert werden ein sofortiger Waffenstillstand und ein Rückzug der russischen Truppen. Im Rahmen der Vereinten Nationen sollen EU, USA und Russland einen »umfassenden Friedensvertrag« garantieren. Die Erklärung wendet sich »gegen die Aufteilung der Welt in konkurrierende Blöcke, die in zügellosen Militarismus, hypermoderne Massenvernichtungswaffen und einen neuen Kalten Krieg investieren«. Dauerhafter Frieden sei nur zu erreichen, wenn die Militärblöcke durch einen »internationalen Sicherheitsrahmen« ersetzt würden, der »soziale und ökologische Gerechtigkeit anstrebt und die Vorherrschaft eines Landes über andere beendet«.
Eco Temelkuran merkte an, dass Kriege – wie auch der Faschismus – »nicht über Nacht« kämen. Zuerst werde immer um sie herum »die Idee des Krieges, des Hässlichen, Falschen und Bösen normalisiert«. Das sei aktuell überall in Europa zu beobachten. Temelkuran verwies dabei auf Friedensdemonstrationen im Zeichen der Unterstützung der Ukraine, »die nicht wirklich für Frieden sind, sondern zu einem gesamteuropäischen Krieg aufrufen«. Darin liege eine große Gefahr und sie sei stolz, betonte die Aktivistin, »Teil der Athener Deklaration zu sein, welche die Menschheit vor allem anderen zur Vernunft ruft«. Dem Gefühl der Hoffnungslosigkeit müsse man mit Entschlossenheit und Zusammenschluss begegnen.
Jeremy Corbyn beklagte eine Militarisierung des Denkens und Generäle, die in Talkshows das Wort führen. Die Diplomatie werde vernachlässigt: »Warum hat die Uno so lange gebraucht, bis Generalsekretär Guterres überhaupt nach Moskau und Kiew gereist ist?« Lebhaft begrüßte Corbyn die Aufnahme und große Unterstützung für Flüchtlinge aus der Ukraine. Zugleich fragte er, warum dasselbe Menschen aus Afghanistan verweigert werde. Der neue Rüstungswettlauf, warnte der britische Linkspolitiker, verschärfe die sozialen Schieflagen in den Gesellschaften: »Jede Million Dollar, die für Rüstungszwecke ausgegeben wird, ist eine Million, die nicht für Schulen, Krankenhäuser und Wohnungsbau zur Verfügung steht.«
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.