- Wirtschaft und Umwelt
- Weltwirtschaft
Das kann richtig teuer werden
Der globale Bankenverband sorgt sich über steigende Zinslasten
Die Schulden der Welt sind so hoch wie nie. Mit insgesamt 305 Billionen Dollar sind alle Staaten, Banken, Unternehmen und privaten Haushalte verschuldet. Die Summe entspricht umgerechnet rund 290 Billionen Euro – was mehr als das Dreifache der Weltwirtschaftsleistung ist. Dies meldet der Bankenverband Institute of International Finance (IIF) in Washington. Allein im ersten Quartal stieg nach Angaben von Nachrichtenagenturen das Defizit um 3,3 Billionen Euro.
Vor allem die Vereinigten Staaten und China haben jüngst zum realen Schuldenaufbau beigetragen. Eine Ausnahme stellt der Euroraum dar, weil dort die Schulden das dritte Quartal in Folge gesunken sind. Gemessen an der Weltwirtschaftsleistung (BIP) sind die Verbindlichkeiten sogar weltweit gesunken. Mit 348 BIP-Prozent lag die Schuldenquote Ende März nach Angaben des IIF um 15 Prozentpunkte niedriger als zum Vorjahreszeitraum. Grund dafür war das höhere Wachstum in der Weltwirtschaft. Zum eigentlichen Problem wird der Schuldenberg aber aktuell durch steigende Zinssätze im globalen Norden. Die US-amerikanische Notenbank Fed hatte kürzlich mit einer Erhöhung der Leitzinsen begonnen, die Europäische Zentralbank dürfte im Sommer nachziehen.
Die meisten Regierungen hatten in den vergangenen zwei Jahren auf die Corona-Pandemie mit hohen Schuldenaufnahmen reagiert, um ihre Volkswirtschaften zu stützen und soziale Hilfen zu finanzieren. Im ersten Quartal nennt das IIF die Schuldenaufnahme der Staaten weiterhin als eine wesentliche Ursache für den Anstieg. Doch vor allem auch multinationale Konzerne haben während der Corona-Pandemie die niedrigen Zinsen zur Kreditaufnahme genutzt, um ihr Kapital zu stärken und zu investieren.
Der IIF-Statistik zufolge haben sich seit Beginn der Corona-Welle die Verbindlichkeiten außerhalb des Bankensektors um 40 Milliarden auf 236 Billionen Dollar erhöht. Davon entfallen 88,3 Billionen Dollar auf die Staaten, rund 90,6 Billionen Dollar auf die Unternehmen und 57,0 Billionen Dollar auf die privaten Haushalte. Die Verschuldung der Banken belief sich Ende März auf 69,4 Billionen Dollar.
Im IIF haben sich 450 große Banken aus 70 Ländern organisiert. Da die Lobby andere Erhebungskriterien als die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), die Zentralbank der Zentralbanken, zugrunde legt, fallen die IIF-Zahlen etwas höher aus. Im Trend kommen beide Institutionen zu gleichen Einschätzungen.
Gemessen an der Verschuldung der 38 Industrieländer erscheint die Verschuldung der über 150 sogenannten Schwellenländer eher überschaubar: Ohne China belaufen sich laut IIF deren Schulden »nur« auf rund 50 Billionen Dollar. Aber an den internationalen Finanzmärkten sind die Zinsen angesichts des Inflationsdrucks seit Jahresanfang im Rekordtempo gestiegen. In der Weltwirtschaft müssen die Akteure daher immer höhere Zinslasten tragen und das bei einer Verschuldung oft auf Rekordniveau. So geben die Schwellenländer heute im Schnitt zehn Prozent ihrer Staatsausgaben für Zinsen aus! Damit nähern sich die Ausgaben für den Zinsendienst denen in der Finanzkrise.
Doch auch hier trifft es nicht alle gleich. Besonders stark unter Druck stehen Länder ohne Rohstoffquellen sowie Länder, die auf Importe von Nahrungsmitteln besonders angewiesen sind. Ein Blick auf die Regionen zeigt, dass viele Länder im östlichen und südöstlichen Asien auf einem guten Weg sind, während sich in Afrika die Schulden häufen. Das gilt auch für einige Staaten in Lateinamerika.
Von 148 untersuchten Staaten sind 135 »kritisch verschuldet«. Dieses Fazit zog der Anfang des Jahres veröffentlichte Schuldenreport von Erlassjahr und Misereor. »Unsere Untersuchungen zeigen, dass sich die gefährliche Dynamik aus steigender Verschuldung und schlechter werdender Schuldentragfähigkeit drastisch verschärft hat«, erklärt Kristina Rehbein, Politische Koordinatorin von Erlassjahr.
Besonders akut von Überschuldung seien 39 Staaten bedroht oder bereits betroffen. »Das sind dreimal so viele Länder wie noch vor der Corona-Pandemie.« Verlierer sind nicht allein besonders einkommensschwache Staaten. Neben fragilen Entwicklungsökonomien wie Sri Lanka oder Tunesien zählen auch Inselstaaten mit höherem Einkommen wie Dominica dazu. 2021 waren 83 Niedrig- und Mitteleinkommensländer gezwungen, dringend benötigte öffentliche Ausgaben zu kürzen, um ihren Schuldendienst weiter bedienen zu können.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.