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Studie sieht großes Wählerpotenzial
Fast schon surreal: Die Linke könnte laut einer Studie der Rosa-Luxemburg-Stiftung 18 Prozent erreichen
Achtmal in Folge hat Die Linke zuletzt bei Wahlen auf Landes- und Bundesebene an Zustimmung verloren. Unter den westdeutschen Flächenländern ist sie nur noch im Landtag von Hessen vertreten. Auch im Osten, wo sie einst Volkspartei war, kann sie – mit Ausnahme von Thüringen – längst nicht mehr an ihre alten Erfolge anknüpfen. Im Bundestag sitzt sie als Fraktion nur, weil Gregor Gysi, Gesine Lötzsch und Sören Pellmann ihre Direktmandate verteidigten. Auch die Beteiligung an insgesamt vier Landesregierungen kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich Die Linke in der größten Krise ihrer fast 15-jährigen Geschichte befindet. Manche sprechen gar von einer existenziellen Bedrohung.
Unter diesen Umständen wirkt das Ergebnis einer Studie der Rosa-Luxemburg-Stiftung, die am Montag veröffentlicht wurde, fast schon surreal: Auf Grundlage einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Kantar könnte sich fast ein Fünftel der Wahlberechtigten (18 Prozent, das entspräche etwa 10,8 Millionen Bürger*innen) vorstellen, Die Linke zu wählen. Es sei ein »stabiles Potenzial« für eine sozial-ökologisch ausgerichtete linke Partei mit sozialistischer Perspektive vorhanden, entsprechende Konzepte und Kampagnen vorausgesetzt, heißt es im Fazit der Studie. Allerdings gelinge die Ausschöpfung dieses Potenzials bisher nicht. »Es müssen Wege gefunden werden, um eine gemeinsame Ausstrahlungskraft und Glaubwürdigkeit zurück zu gewinnen«, so Mario Candeias, Direktor des Instituts für Gesellschaftsanalyse und Autor der Studie. Voraussetzung dafür sei »die Lösung der internen Probleme und die Befriedung der harten internen Auseinandersetzungen in der Partei«.
Die Ergebnisse lassen aufhorchen: Demnach beschränkt sich das Potenzial der Linken längst nicht nur auf den urbanen Raum und Städte, sondern findet sich besonders auch in kleineren Orten von 5000 bis 20 000 Einwohner*innen. Ihr größtes Potenzial hat die Partei bei Haushalten mit niedrigem Einkommen bis 1500 Euro monatlich (22 Prozent) beziehungsweise bis 2500 Euro (24 Prozent). Entsprechend werden Maßnahmen gegen die Verringerung von Einkommens- und Vermögensungleichheit in Deutschland von potenziellen Wähler*innen als besonders wichtig betrachtet. Fast ebenso wichtig seien konkrete Maßnahmen zum Schutz des Klimas in Verbindung mit einem sozialen Ausgleich, übrigens am stärksten befürwortet von Geringverdienenden mit einem Haushaltseinkommen bis 1500 Euro monatlich. Uneins waren sich die Befragten hingegen, ob Die Linke für mehr Sozialismus eintreten solle: 54 Prozent Zustimmung im Linken-Potenzial.
Besonders interessant ist Folgendes: Das mit Abstand größte Potenzial bei Wähler*innen anderer Parteien hat Die Linke bei Anhänger*innen der Grünen. Gerade in Zeiten, in denen die Grünen in der Ampel-Koalition viele Kompromisse eingehen müssen, könnte Die Linke davon profitieren. Allerdings haben sich beide Parteien seit Putins Angriff auf die Gesamt-Ukraine außenpolitisch auseinanderentwickelt: Während die Grünen zum Beispiel besonders stark für Waffenlieferungen eintreten, verteidigen viele Linke den Pazifismus. Es scheint, als würde der Kurs der Grünen in der Bevölkerung deutlich besser ankommen, schließlich befindet sich die Partei im Gegensatz zur Linken im Aufwind und erreicht nach aktuellen Umfragen um die 20 Prozent, während Annalena Baerbock und Robert Habeck die beliebtesten Politiker des Landes sind. Andererseits zeigt sich bei Umfragen zur Lieferung schwerer Waffen in die Ukraine kein geschlossenes Bild, vor allem Ostdeutsche sind dagegen: In einer MDR-Umfrage lehnen 69 Prozent der Teilnehmer*innen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen die Lieferung von Panzern und Co. ab.
Die Studie der Rosa-Luxemburg-Stiftung lässt sich diesbezüglich sehr unterschiedlich deuten. So werden unter denjenigen, die sich vorstellen können, Die Linke zu wählen, die außenpolitischen Positionen der Partei am häufigsten (zu 43 Prozent) als Grund für die Nichtwahl genannt. Bei den Anhänger*innen von Bündnis 90/Die Grünen ist die Ablehnung der Außenpolitik der Linken noch stärker ausgeprägt (62 Prozent). Unter den noch verbliebenen Wähler*innen der Linken allerdings werden gerade die friedenspolitischen Positionen der Partei häufig als Grund für die Wahlentscheidung hervorgebracht.
Grundsätzlich spricht also zunächst einmal viel dafür, dass es der Linken ohne Überarbeitung ihrer Außenpolitik sehr schwer fallen dürfte, ihr Wähler*innenspektrum über das noch bestehende hinaus zu erweitern. Allerdings: Wie konkret eine linke Außenpolitik aussehen könnte, die in der Bevölkerung auf eine größere Zustimmung trifft, bleibt unklar. Die Studie rät jedenfalls nicht dazu, die Außenpolitik der Grünen einfach zu kopieren, um dann mit mehr Sozialpolitik und einem starken Klimabewusstsein alle unzufriedenen Grünen-Wähler*innen einfach einzusacken. Beispiel: Die Ablehnung der Linken von Krieg taucht nur bei 43 Prozent (der Durchschnittswert) der Grünen-Anhänger*innen als Begründung dafür auf, dass sie die Partei nicht wählen – wobei die Formulierung »Ablehnung von Krieg« sehr allgemein gehalten ist. Wer, bitteschön, ist denn für Krieg?
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