Neue Aufgaben für Apotheken

Die Zahl der Betriebsstätten sinkt weiter, auch Pandemie und Digitalisierung fordern die Pharmazeuten

Die Zahl der Apotheken in Deutschland ist erneut gesunken.
Die Zahl der Apotheken in Deutschland ist erneut gesunken.

An diesem Dienstag jährt sich der Tag der Apotheke zum 25. Mal. Seit 2008 konnte der jeweilige Sprecher der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (Abda) jedoch kein Wachstum der absoluten Apothekenzahlen mehr vermelden. Im Gegenteil: Mit den aktuell verfügbaren 18 461 Arzneiausgabstellen ist ein neues Tief erreicht. In besseren Zeiten lag die Zahl der Betriebsstätten bei 21 500 bundesweit. Etwa alle sechs Jahre sind es wieder 1000 Betriebe weniger.

Allerdings wächst die Zahl der Apotheken, die eine oder mehrere Zweigstellen haben, langsam, aber stetig. Die Zahl der selbstständigen Inhaber sank zuletzt um 2,8 Prozent auf 13 718 gegenüber dem Vorjahr. Dennoch heißt das nicht unbedingt, dass die Versorgung absolut schlechter wird. In den Offizinen, wie die Arbeitsräume der Apotheken heißen, wurden 2021 12,07 Millionen individuelle Rezepte angefertigt. 1,288 Milliarden Arzneimittelpackungen gingen über den Handverkaufstisch, wie die Branche den Tresen nennt. Auch zur Bewältigung der Corona-Pandemie haben die Pharmazeuten ihren Beitrag geleistet, unter anderem 97 Millionen digitale Impf- und Genesenenzertifikate ausgestellt.

Zur Erinnerung: Zeitweise gehörten die Apotheken in der Pandemie zu den wenigen Einrichtungen, die überhaupt noch für die Bedürfnisse von Patienten und anderen besorgten Menschen offen standen. Da die Einrichtungen, ob mit Pandemie oder ohne, auch gerne genutzt werden, den einen oder anderen Gesundheitsrat ohne Wartezeit, und am besten rund um die Uhr, einzuholen, kann ihre Bedeutung kaum unterschätzt werden. »Die freiberuflich geführten Apotheken vor Ort werden wegen ihrer Gesundheitsexpertise, ihrer Unabhängigkeit, ihres
niedrigschwelligen Zugangs und ihrer sozialen Funktion geschätzt«, betonte denn auch Abda-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening bei der Vorstellung des neuesten statistischen Branchenjahrbuchs Ende vergangener Woche.

Overwiening brachte jedoch mehrfach zum Ausdruck, dass die Apotheker ihre Leistungen nicht ausreichend gewürdigt sehen. Unter anderem verwies sie auf jene 1,9 Prozent der Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen für den Apothekenbetrieb, »ein Tiefststand«. Das Betriebsergebnis müsse stimmen, damit sich Pharmazeuten hier weiterhin selbstständig machen, »vor allem in der Fläche«. Mit dem Erlöschen von Hausarztpraxen gerade im ländlichen Bereich sehen auch die Apotheker ihre Möglichkeiten schwinden.

Dabei stehen aktuell neue Einnahmemöglichkeiten kurz vor der Umsetzung. Gerade vor zwei Wochen beschloss der Bundestag, dass Apotheker nicht nur gegen Corona (was schon seit Februar möglich ist), sondern ab Herbst auch gegen Grippe impfen dürfen. Voraussetzung ist nur eine entsprechende Schulung des Personals. Neu hinzukommen werden auch »pharmazeutische Dienstleistungen«, die zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) abgerechnet werden können. Der Fokus liegt unter anderem auf der Medikationsanalyse für einzelne Patienten: Hier sollen unter anderem Nebenwirkungen reduziert werden. Wenn das flächendeckend funktioniert, könnten Krankenhausaufnahmen wegen solcher Ereignisse reduziert werden. Insgesamt ließen sich allein dadurch jährlich bis zu 1,2 Milliarden Euro im Gesundheitssystem einsparen. Noch gibt es aber keine Einigung zwischen GKV-Spitzenverband und Deutschem Apothekerverband dazu, welche Dienstleistungen für welchen Preis genau zu den neuen Leistungen gehören sollen. Das Schiedsverfahren steht jedoch kurz vor dem Abschluss.

Auch bei einem Dauerbrenner der Digitalisierung deuten sich Fortschritte an. Gerade wurde ein neuer Plan zur Einführung des E-Rezepts festgezurrt. Die halbstaatliche Firma Gematik, zu deren Gesellschaftern neben dem Bundesgesundheitsministerium auch Kassen-, Ärzte- und Klinikorganisationen gehören, will nun ein regionales Stufenmodell durchsetzen. In Westfalen-Lippe und Schleswig-Holstein sollen ab 1. September Pilotverfahren starten, in die immer mehr Praxen und Kliniken einzubinden sind. Sollte das erfolgreich verlaufen, würde die Nutzung von E-Rezepten ab Dezember verbindlich vorgeschrieben. Ursprünglich sollte das schon seit Januar 2022 bundesweit Pflicht sein, jedoch gab es Software-Probleme und insbesondere unter Ärzten Vorbehalte. In der noch laufenden bundesweiten Erprobungsphase wurden in sechs Monaten nur gut 24 000 E-Rezepte eingelöst. Gemessen an den jährlich etwa 500 Millionen Papierrezepten, die in Deutschland ausgestellt werden, ist das so gut wie nichts.

Für die Apotheken gilt ab dem 1. September die bundesweite Pflicht, die Digitalverschreibung anzunehmen. »98 Prozent der Apotheken haben sich bereits an das Gesundheitsnetz der Telematik-Infrastruktur angeschlossen und sind weitgehend E-Rezept-ready«, heißt es dazu selbstbewusst von der Abda. Ein Problem der Apotheker könnte sich mit dem E-Rezept sogar verringern: die Retaxation, die Zurückweisung von Rezepten wegen Fehlern bei der Ausstellung und Bearbeitung. Diese Möglichkeit sorgte in der Vergangenheit regelmäßig für Ärger mit den Krankenkassen.

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