Der Levitenleser

Gerhart Baum kritisiert die Corona-Politik der FDP-Spitze

Seit Jahrzehnten ist er das linksliberale Gewissen der FDP. Nun hat sich Gerhart Baum wieder zu Wort gemeldet. Der frühere Bundesinnenminister sieht in der Corona-Politik seiner Partei einen wesentlichen Grund für deren schlechtes Abschneiden bei den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen. »Kaum ist die FDP in zwei Bundesländern desaströs gescheitert, auch wegen ihrer Pandemie-Politik, kündigt Wolfgang Kubicki deren Fortsetzung im Herbst an«, sagte Baum dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Misstrauen gegenüber staatlichen Eingriffen sei zwar »ein unverzichtbares Wesensmerkmal liberaler Politik, aber dies darf nicht dazu führen, dass die notwendige Verantwortung für das Gemeinwohl auf der Strecke bleibt«, mahnte Baum. Der Streit der FDP mit SPD-Gesundheitsminister Karl Lauterbach habe viele Wähler verschreckt, meint Baum. Sie glaubten nicht, »dass alle anderen demokratischen Parteien, alle Bundesländer und die Wissenschaft auf dem Holzweg waren«. Derzeit wendet sich die FDP in der Ampel gegen die frühzeitige Wiedereinführung von Infektionsschutzmaßnahmen im Herbst.

Baum war schon immer ein Vorkämpfer für den Schutz von Bürgerrechten und gegen staatliche Überwachung. Als Bundesinnenminister setzte er die 1972 mit dem sogenannten Radikalenerlass von Bund und Ländern eingeführte Regelüberprüfung von Bewerbern im Öffentlichen Dienst wieder außer Kraft. In der RAF-Hysterie der 70er Jahre stand er für Deeskalation. Von 1992 bis 1998 leitete er die deutsche Delegation bei der UN-Menschenrechtskommission. Später klagte er erfolgreich gegen den Großen Lauschangriff, also das anlasslose Abhören von Privatwohnungen und -anschlüssen (mit Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und Burkhard Hirsch) und gegen das nordrhein-westfälische Verfassungsschutzgesetz. Bis heute mischt sich der mittlerweile 89-Jährige in aktuelle politische Debatten ein.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!