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Nachpfeifen ist kein Kompliment
Mehr als 40 Kommunen unterstützen ersten bundesweiten Aktionstag gegen sexuelle Belästigung ohne Körperkontakt
Gerade jetzt zur warmen Jahreszeit steigt für viele das Risiko, auf der Straße einen anzüglichen Spruch abzubekommen. Der Begriff »Catcalling« fasst verschiedene Arten der sexuellen Belästigung ohne Körperkontakt zusammen. Das können neben anzüglichen Sprüchen auch Pfeif- oder Kussgeräusche oder aufdringliche Blicke sein, aber auch übergriffige sexuelle Nachrichten oder die ungewollte Konfrontation mit Bildern und Videos sexuellen Inhalts auf Social Media. Am Freitag findet der erste bundesweite Aktionstag zum Catcalling statt.
Mehr als 40 Kommunen und Kreise sowie kommunale Gleichstellungsbeauftragte in der Bundesrepublik beteiligen sich. So auch die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Salzgitter, Simone Semmler, von der die Idee zum Anti-Catcalling-Tag stammt. Die kommunale Vernetzung wirkt dem möglichen fälschlichen Eindruck entgegen, dass nur eine bestimmte Stadt ein Catcall-Problem haben könnte. »Catcalling ist ein strukturelles gesamtgesellschaftliches Problem«, betont Semmler. Der bundesweite Aktionstag soll die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass Maßnahmen entwickelt werden, die über das lokale Geschehen hinausgehen.
Catcalling führt dazu, dass nicht alle den öffentlichen Raum als gleich sicher wahrnehmen und ihn teilweise meiden. Betroffene berichten von teilweise starken körperlichen und emotionalen Auswirkungen wie Atembeschwerden und Angst vor Vergewaltigung. Eine aktuelle Studie des Bundesfamilienministeriums hat ergeben, dass 44 Prozent der Frauen und 32 Prozent der Männer Catcalling erleben. Menschen, die sich jenseits der binären Geschlechternorm bewegen, wurden nicht extra erfasst.
Neben regionalen Veranstaltungen startet mit dem Aktionstag eine bundesweite Umfrage, die die unzureichende empirische Datenlage zu Catcalling verbessern soll. Von Juni 2022 bis Mai 2023 können Betroffene ihre Catcalling-Erlebnisse über eine zentrale Mailadresse in ihrer jeweiligen Kommune melden. Die Meldungen werden gesammelt und dokumentiert.
Catcalling wird intensiver diskutiert, seitdem es seit einigen Jahren in deutschen Städten Ankreideaktionen gibt, bei denen Betroffene selbst erlebte Catcalls mit Kreide auf die Straße schreiben, um auf das Phänomen aufmerksam zu machen. Vor zwei Jahren startete die Aktivistin Antonia Quell eine Petition mit dem Titel »Es ist 2020. Verbale sexuelle Belästigung sollte strafbar sein«, die von knapp 70 000 Menschen unterstützt wurde. Im vergangenen Jahr sprach sich der Deutsche Juristinnenbund (DJB) mit einem Paper für eine rechtliche Normierung berührungsloser sexueller Belästigung aus.
Anja Schmidt, Leiterin des DFG-Forschungsprojekts »Pornographie und sexuelle Selbstbestimmung« an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und Mitglied der Strafrechtskommission des DJB, hat das Paper mit verfasst. Schmidt legt dar, dass sich »bestimmte Fälle von Catcalling jetzt schon zur Anzeige bringen lassen, wenn sie beleidigend sind, also zum Beispiel sexualisierende Schimpfworte verwendet werden«.
Catcalling betrifft in erster Linie Frauen, Mädchen und diverse Personen oder schwule Männer. »Das heißt, es liegt eigentlich eine Diskriminierung wegen des Geschlechts und der sexuellen Orientierung vor. Das ist ein Strafschärfungsgrund aus unserer Sicht«, so Schmidt. Doch nicht alle Catcalling-Fälle lassen sich als Beleidigung anzeigen. »Es gibt eine Regelungslücke für die Fälle, in denen man nicht von einer bewussten Abwertung der Person ausgehen kann, sondern bei denen es sich eher um einen Fall aufgedrängter Sexualität handelt«, erklärt Schmidt. Eine sexuelle Belästigung ist in Deutschland momentan nur dann strafbar, wenn sie mit einer körperlichen Berührung verbunden ist. Der DJB plädiert dafür, dass sexuelle Belästigung auch in allen anderen Fällen strafbar oder ordnungswidrig wird, wenn sie rechtlich erheblich ist.
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