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Im Namen des Herrn

Die vierteilige Doku »Ghislaine Maxwell – Partner in Crime« zeigt, wie Jeffrey Epstein Hunderte von Frauen missbrauchen konnte

  • Jan Freitag
  • Lesedauer: 4 Min.
Zwei Wohlstandsverwahrloste in ihrer klischeehaftesten Erscheinung: Ghislaine Maxwell und Jeffrey Epstein.
Zwei Wohlstandsverwahrloste in ihrer klischeehaftesten Erscheinung: Ghislaine Maxwell und Jeffrey Epstein.

Männer sind böse. Nicht immer natürlich, nicht durchweg, nicht überall gleich. Aber wenn es im Lauf der Geschichte – ob Krieg oder Genozid, ob häusliche Gewalt oder Hooliganismus – brutal und grausam zugeht, sind Männer mindestens Antriebskräfte. Ausnahmen bestätigen Regeln, die selbst grausam brutale Frauen oft zu Opfern männlicher Macht machen. Frauen wie Ghislaine Maxwell. Wem der Name nichts sagt – seit 2019 wird er praktisch nur noch im selben Atemzug mit einem anderen genannt: Jeffrey Epstein.

Vor knapp drei Jahren wurde der Investmentbanker in seiner Heimatstadt New York angeklagt, Hunderte Frauen, viele fast noch Kinder, sexuell missbraucht zu haben. Ein Vorwurf, dem er sich kurz vor Prozessbeginn durch Suizid in U-Haft entzogen hat, wodurch seine Langzeitfreundin Ghislaine Maxwell ins Rampenlicht rückte. Denn die, beteuern ihre Geschwister in einer bemerkenswerten Dokumentarfilmreihe auf Sky Documentaries, sei kein »Partner in Crime«, wie der Titel postuliert. Sondern »Sündenbock«. Tatsächlich?

Wer Ben Reids Zeitreise durchs zwielichtige Oberschichtendasein dieses gutbetuchten, einflussreichen, bestens vernetzten und noch besser beleumundeten Glamourpaars vier Folgen lang beobachtet, bekommt vom Filmemacher zwar keine Antworten, aber reichlich Indizien, die sich zu einer bitteren Erkenntnis verdichten: Ghislaine, Lieblingskind des Oxforder Medienmoguls Robert Maxwell, aufgewachsen im Chalet, ausgebildet am Elitecollege, Namensgeberin von Papas Superyacht, also von klein auf im Jetset zu Hause, hat ungeheuerlichen Dreck am Stecken.

Der Vorwurf: Vom Beginn der 90er bis ins neue Jahrtausend hinein habe sie ihren Freund, Gönner, Geliebten mit Mädchen beliefert, an denen er seine Allmachtsfantasien ausleben konnte. Detailgetreu erzählen damalige Opfer nun, wie sie als Teenager von Jeffrey Epstein vergewaltigt wurden. Präzise beschreiben Zeitzeugen das räumliche Umfeld der Vergewaltigungen. Fasziniert betten es Boulevardreporter in ein diskretes Milieu, das Enthüllungsbewegungen wie #MeToo gerade Schicht für Schicht ans Tageslicht zerren.

Denn so kriminell die Partnerschaft der kultivierten Tochter einer Holocaust-Forscherin aus Frankreich auch sein mag, die nach der spektakulären Pleite ihres despotischen Vaters einen Finanzier ihres opulenten Lebensstils suchte und im »Sugar Daddy« Epstein fand: Am Ende ist auch sie nur Objekt männlicher Primaten. Oberflächlich mag dieses aufschlussreiche Stück True Crime also die Beweggründe der Titelfigur ausbreiten. Der weibliche Titel aber täuscht nie darüber hinweg, worum es wirklich geht: toxische Männlichkeit.

Nicht zufällig zählten übergriffige Alpharüden wie Woody Allen, Donald Trump oder Harvey Weinstein zum erweiterten Freundeskreis des Partypaars aus Manhattan – ergänzt um jemanden, dem Ben Reid besonderes Augenmerk widmet: Prinz Andrew, zweiter Sohn von Elizabeth II., die ihm wegen sexueller Missbrauchsvorwürfe sämtliche Privilegien entzogen hat. Solche Typen als Raubtiere vorzuführen, denen Ghislaine Maxwell offenbar bereitwillig junge Mädchen zum Fraß vorwarf, ist trotz konventioneller Inszenierung journalistisch gehaltvoll.

Umso tragischer, dass Sky bereits im Vorspann den Kardinalfehler dokumentarischer wie fiktionaler Missbrauchsanalysen begeht. »Wie kann die Tochter der Privilegien zur Komplizin eines Pädophilen werden?«, raunt es vor jeder Folge aus dem Off und kehrt die Realität so unter den Geigenteppich. Weil Ghislaine Maxwell Jeffrey Epstein im Namen des Herrn keine Kinder vorm Pubertätseintritt, sondern blutjunge Frauen mit Modelmaßen zuführte, war er im medizinischen Sinne zwar verhaltensauffällig, aber nicht pädophil, ergo: krank. Erst das macht beide zu Spielern in jener Egomanenblase von Elon Musk bis Gerhard Schröder, die sich über Recht, Moral, Demokratie erheben. Einfach, weil sie es können.

In dieser raubtierkapitalistischen Welt(un)ordnung wird schließlich alles und jeder zur Ware für all jene, bei denen Geld keine Rolle spielt. Jeffrey Epstein und Ghislaine Maxwell sind demnach nur zwei Regenbogenpromis einer Wohlstandsverwahrlosung der oberen paar Hunderttausend, die unsere Zivilisation, Machtmissbrauch für Machtmissbrauch, näher an den Abgrund ziehen. »Partner in Crime« schreibt nur ein weiteres Kapitel dieser Erzählung. Aber es ist ein überaus eindrückliches.

Verfügbar auf Sky

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