Verzählt bei Obdachlosigkeit

Dem Umgang mit Obdachlosen fehlt es an Würde, findet Claudia Krieg.

  • Claudia Krieg
  • Lesedauer: 2 Min.
Nicht alle obdachlose Menschen brauchen dasselbe, aber so gut wie alle brauchen einen sicheren Ort. dpa/ Fabian Sommer
Nicht alle obdachlose Menschen brauchen dasselbe, aber so gut wie alle brauchen einen sicheren Ort. dpa/ Fabian Sommer

»Nein, es braucht nicht noch eine weitere überflüssige Zählung obdachloser Menschen, es braucht tausende Wohnungen, um Obdachlosigkeit zu beenden.« Mit klaren Worten hat die Wohnungslosenstiftung, eine Selbsthilfe- und Selbstvertretungsorganisation von Betroffenen, auf die Absage der Erhebung reagiert. Seit Jahren wehren sich Betroffene, vor allem diejenigen, die sich gegen gesellschaftlichen Druck und Ausschluss selbst organisieren, dagegen, als sozialwissenschaftliches Objekt betrachtet zu werden. Viele obdachlose Menschen lehnten die Zählung ab, ist man sich bei den Wohnungslosenvertreter*innen sicher – »mit guten Argumenten«. »Die, die die Zählung unbedingt wollten, haben jetzt Zeit, darüber nachzudenken, was an ihren Konzepten und Angeboten falsch sein könnte«, schiebt man etwas verärgert hinterher.

Ganz so einfach ist es nicht. Das Vorhaben, Wohnungs- und Obdachlosigkeit in Berlin zu beenden, wurde in den vergangenen Jahren vor allem von Sozialsenatorin Elke Breitenbach und ihrer Nachfolgerin Katja Kipping (beide Linke) als prioritär erachtet. Dass Housing First – also bedingungslos eine Wohnung zur Verfügung gestellt zu bekommen – das Konzept der Stunde ist, haben viele Sozialpolitiker*innen, Sozialarbeiter*innen und Aktivist*innen sowieso erkannt. Die Gesamtstädtische Steuerung zur Unterbringung und auch Housing First in Berlin zeugen davon.

Zugleich sieht es auf der praktischen Ebene oft ganz anders aus. Erinnert sei an die unsichere Lage des selbstorganisierten, nur durch Besetzung erkämpften Wohnprojekts obdachloser Menschen an der Habersaathstraße in Mitte, die praktisch nicht vorhandene offene Straßensozialarbeit in Neukölln oder die Räumung von Obdachlosen in Lichtenberg. Es klafft eine riesige Lücke zwischen Anspruch und Umsetzung, und darauf hinzuweisen, ist das gute Recht Betroffener. Genauso gibt es auf beiden Seiten Menschen, für die es ein guter, erster Schritt ist, »ins Gespräch« zu kommen. Aber es reicht politisch nicht aus. Betroffene brauchen konkrete Unterstützung und auch Schutz, wie man angesichts der Angriffe auf Obdachlose sieht.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -