Rückschlag für Frauenrechte

Landesweite Proteste in den USA nach der Entscheidung des Supreme Court zu Abtreibungen

Während zehntausende Menschen überall in den USA am Wochenende gegen die Abtreibungsentscheidung des Obersten Gerichtes vom Freitag protestierten, haben erste Bundesstaaten bereits Fakten geschaffen: In mindestens acht US-Bundesstaaten sind Schwangerschaftsabbrüche nun de facto verboten – selbst bei Vergewaltigung. »Was gestern passiert ist, ist unbeschreiblich und ekelhaft«, sagte die 19-jährige Demonstrantin Mia Stagner am Samstag in Washington. »Keine Frau sollte dazu gezwungen werden, Mutter zu werden.« Die Demonstranten schwenkten unter anderem Schilder mit Aufschriften wie »Krieg gegen Frauen, wer ist als nächster dran?«. Damit gaben sie auch ihrer Angst Ausdruck, dass der Supreme Court auch andere Freiheitsrechte kippen könnte.

Der Supreme Court hatte das verfassungsmäßige landesweite Recht auf Abtreibung gekippt, indem die Richter das entsprechende Grundsatzurteil aus dem Jahr 1973 – bekannt als Verfahren »Roe v. Wade« – aufhoben. Mit der Entscheidung steht es jetzt den einzelnen US-Bundesstaaten frei, Schwangerschaftsabbrüche zu erlauben, einzuschränken oder ganz zu verbieten.

In New York trieb es tausende, vorwiegend junge Abtreibungsbefürworter zwischen Union Square und Washington Square auf die Straße. Viele trugen improvisierte Transparente und hastig auf Pappkartons oder Papier gekritzelte Slogans wie »Mein Körper, meine Entscheidung«, die ihre Wut und Verzweiflung ausdrücken. »Das ist völlig verrückt«, schimpfte dort Brandy Michaud. »Wir sind wieder 100 Jahre zurück.« Mitdemonstrant Andrew Reismann betonte: »Frauenrechte sind Menschenrechte, und diese Entscheidung ist die erste einer langen Liste, die unsere Rechte nach und nach abschaffen wird.«

Parallel zu den Demonstrationen in dutzenden Städten schnellten die Spenden an Organisationen in die Höhe, die Frauen bei Schwangerschaftsabbrüchen unterstützen. Es seien innerhalb von 24 Stunden 40 Mal mehr Spendenbeträge eingegangen als normalerweise an einem Tag, teilte die Organisation Planned Parenthood (geplante Elternschaft) mit. Ihre Vize-Präsidentin Kelley Robinson zeigte sich überzeugt, dass der Widerstand gegen die Gerichtsentscheidung und die Unterstützung für ihre Familienplanungsorganisation weitergehen werden. »Das ist nur der Anfang, wir werden nicht aufgeben«, erklärte Robinson.

Zeitgleich gab es landesweit aber auch Jubel-Feiern von Befürwortern der Entscheidung des Obersten Gerichtes. Abtreibungsgegnerin Gwen Charles sagte in Washington: »Auf diesen Tag haben wir lange gewartet.« Die Spaltung der US-Gesellschaft wurde durch das politische Handeln unmittelbar nach der Gerichtsentscheidung nur noch unterstrichen: Missouri, Alabama, Arkansas, Kentucky, Louisiana, Oklahoma, South Dakota und Utah verboten Abtreibungen beziehungsweise schränkten sie massiv ein. Es wird erwartet, dass weitere von den Republikanern regierte Bundesstaaten folgen.

Von den Demokraten regierte Bundesstaaten trafen ihrerseits erste Vorkehrungen, um mehr potenzielle Patientinnen zu versorgen. New Yorks Gouverneurin Kathy Hochul versprach, gemeinsam mit anderen liberalen Bundesstaaten ein »sicherer Hafen« für alle zu sein, die in ihren eigenen Staaten keine Abtreibungen vornehmen lassen können.

US-Präsident Joe Biden hatte sofort nach der Gerichtsentscheidung von einem »tragischen Fehler« des Supreme Court gesprochen und davor gewarnt, dass weitere hart erkämpfte Rechte wie das auf Verhütungsmittel oder die Homo-Ehe als nächstes gekippt werden könnten. Der Präsident forderte den US-Kongress auf, das allgemeine Recht auf Abtreibung per Bundesgesetz wiederherzustellen.

Die Entscheidung des Obersten Gerichtes ist eine Folge der Amtszeit des Republikaners Donald Trump als US-Präsident: Dieser hatte drei neue Verfassungsrichter ernannt, sodass konservative Juristen am Supreme Court nun eine klare Mehrheit von sechs der neun Richter stellen. Trump selbst feierte das Urteil als Entscheidung Gottes. Mit Agenturen

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