»Das ist ein Treffen der Schuldigen«

Nicht nur zugereiste Demonstranten ärgern sich über den Gipfel in den Alpen

Es war absehbar, dass die Proteste gegen den G7-Gipfel auf Schloss Elmau nicht allzu groß ausfallen würden. Die Mobilisierung begann spät, wegen der Corona-Pandemie sind viele Menschen noch vorsichtig, und nach einem Zugunglück Anfang Juni ist Garmisch-Partenkirchen gerade nur mit dem Bus zu erreichen. Keine guten Bedingungen für Gipfelstürmer*innen.

Dass am Sonntag, nach Einschätzung von wohlmeinenden Beobachter*innen, nur 1000 Menschen, die Veranstalter*innen sprechen von 2000, gegen den Gipfel protestierten, wertet Demo-Anmelder Franz Haslbeck als Erfolg. Damit seien die eigenen Erwartungen »mehr als erfüllt worden«. Die Demonstration, nach deren Ende fünf Menschen festgenommen wurden, verlief störungsfrei. Auf Rauchtöpfe und Vermummung reagierte die Polizei nicht direkt. Für die Veranstalter*innen ein Beweis, dass »wenn sich die Polizei zurückhält«, auch nichts passiere. Inhaltlich übten die Demonstrant*innen Kritik an der »neokolonialen, zerstörerischen und militaristischen Politik der G7-Staaten«. Klimagerechtigkeit und ein Schuldenerlass für den Globalen Süden wurden gefordert. An die Bundesregierung richteten die Protestierenden die Forderung, in Bildung und soziale Gerechtigkeit zu investieren, statt Geld für die Rüstungsindustrie und die Bundeswehr auszugeben.

Ums Militärische ging es auch bei verbalen Auseinandersetzungen, die sich die linke Anti-G7-Demo mit einer Pro-Ukraine-Demo lieferte. Beide trafen sich mitten in Garmisch. Auf »Fuck Putin«-Rufe der Ukraine-Demo antwortete die linke Demo mit »Fuck Putin – Fuck Nato«-Rufen. Die Stimmung zwischen beiden Lagern wurde als hitzig beschrieben. Ein Video des CNN-Reporters Frederik Pleitgen, das Ausschnitte eines Redebeitrags der DKP zeigt, in dem die USA als »Hauptaggressor« im Ukraine-Krieg bezeichnet werden, sorgte im Nachgang zur Demo für kontroverse Debatten.

Jutta Ditfurth, Stadträtin der Ökologischen Linken in Frankfurt, sagte gegenüber »nd«, dass bei der Demonstration viele »antiautoritäre ökologische Menschen« gefehlt hätten. Die Mischung der linken Demonstrant*innen hält Ditfurth für besonders, »einige Gruppen, die hier zusammenliefen, würden in Berlin vermutlich aufeinander losgehen, beziehungsweise nie zusammen laufen«. Das Zahlenverhältnis von Polizei und Demonstrant*innen sei »polizeistaatlich«.

»20 000 Polizisten mit 40 000 Füßen sind einfach zu viel«, sagte Axel Doering und ergänzte, das gelte auch für Demonstrant*innen. Der Garmischer ist Präsident der deutschen Abteilung der Alpenschutzkommission Cipra. Der 16 Kilometer lange Zaun um Schloss Elmau sei schlecht für das Wild. Da komme nichtmal ein Hase durch, erzählte Doering. Als Anwohner ist er genervt, ständig kreisten Hubschrauber über Garmisch, als Bürger sei man fast in einer Art »Geiselhaft«. Nato-Stacheldraht mitten im Ort mache keine Freude, auch für Inhaber von Geschäften und Restaurants sei der Gipfel eine Belastung. Umsatz machten diese gerade nicht. Doering hat auch politische Kritik am Gipfel, das sei »ein Treffen der Schuldigen«. Die G7 hätten schon jahrzehntelang den CO2-Ausstoß einschränken müssen, sagte er.

Schade findet Doering, dass eine Kundgebung mit 50 Teilnehmer*innen am Montag zwar in Sichtweite, aber nicht direkt vor dem Tagungsort stattfinden durfte. Er hätte es gut gefunden, wenn die Staats- und Regierungschefs die Kritik an ihrer Politik deutlich vernehmen. Für Dienstag hofft Doering auf gutes Wetter, damit die Gipfelgäste wegfliegen und nicht wegfahren, sonst würden Straßen für Stunden gesperrt und Anwohner*innen faktisch »eingesperrt«.

Gegen den G7-Gipfel wurde am Sonntag und Montag auch in Berlin protestiert. Eine kleine Gruppe blockierte das Kreuzberger Luxushotel Orania. Es hat denselben Betreiber wie das Gipfelhotel Schloss Elmau. Die Blockier*innen, deren Aktion eine Dreiviertelstunde dauerte, werfen dem Hotelbetreiber außerdem vor, zur Gentrifizierung Kreuzbergs beizutragen.

Am Montagmorgen blockierten 100 Aktivist*innen der Extinction Rebellion das Bundesfinanzministerium. Ihre Forderungen: Schuldenerlass und Klimagerechtigkeit. Deutschland und andere Länder des Globalen Nordens hätten »eine historische Verantwortung für die Klimakrise«.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.