Völlig losgelöst

Bundesfinanzminister drückt auf die Schuldenbremse und schürt Angst vor Leistungskürzungen

  • Martin Höfig
  • Lesedauer: 3 Min.
Finanzminister Lindner gibt den Sparfuchs.
Finanzminister Lindner gibt den Sparfuchs.

An diesem Freitag will das Kabinett den Entwurf für den Bundeshaushalt 2023 verabschieden. Aus Regierungskreisen wurden vorab bereits erste Kerndaten bekannt – so soll die im Grundgesetz verankerte und in der Corona-Pandemie ausgesetzte Schuldenbremse wieder eingehalten werden. »Wir können uns zusätzliche Schulden nicht mehr leisten«, sagte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) der »Wirtschaftswoche«. Maßhalten sei ein Gebot des Grundgesetzes und man müsse zurück zur finanziellen Solidität, sonst würden in wenigen Jahren auf breiter Front staatliche Leistungen gekürzt oder massiv Steuern erhöht werden müssen, so Lindner weiter.

Der Begriff Schuldenbremse umschreibt die Festlegungen in den Artikeln 109 und 115 des Grundgesetzes. So heißt es in Artikel 109: »Die Haushalte von Bund und Ländern sind grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen.« Artikel 115 besagt, dass sich der Bund im Normalfall maximal in Höhe von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts verschulden darf. Außerdem sind »bei einer von der Normallage abweichenden konjunkturellen Entwicklung« Abweichungen in begrenztem Umfang erlaubt.

So soll es 2023 auch ein weiteres Entlastungspaket geben. »Die Regelsätze der Grundsicherung werden in jedem Fall nach oben angepasst – das hilft denen, die es ganz besonders nötig haben«, ist sich Lindner sicher. So werde es auch »für alle fleißigen Steuerzahler bei der kalten Progression eine Entlastung geben«. Als »kalte Progression« wird eine Art schleichende Steuererhöhung bezeichnet, wenn zum Beispiel eine Gehaltserhöhung komplett durch die Inflation aufgefressen wird, aber dennoch zu einer höheren Besteuerung führt.

Angesichts der stark steigenden Preise etwa für Energie und Lebensmittel hatten sich Grüne und SPD bereits für weitere Entlastungen stark gemacht. Lindner sieht hier aber keine Eile. »Die Maßnahmen der bereits beschlossenen Entlastungspakete sind ja bis auf den Tankrabatt und das Neun-Euro-Ticket noch gar nicht angekommen«, sagte er. Und: »Eine vierköpfige Familie, in der beide Elternteile arbeiten, wird mit EEG-Umlage, Kinderbonus und Arbeitnehmerzuschuss allein mit über 1000 Euro entlastet – das kommt alles erst.«

Er selbst in seiner Funktion als Finanzminister dürfe nicht der Profiteur der Inflation sein, drückte Lindner gegenüber der »Wirtschaftswoche« zudem seine feste Überzeugung aus. Dass er letztlich nichts anderes sei, wirft ihm unter anderen die stellvertretende Vorsitzende und haushaltspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Gesine Lötzsch, vor. »Die Menschen wissen nicht mehr, wie sie ihre Rechnungen bezahlen sollen, doch Herr Lindner verfolgt starrsinnig die Einhaltung der Schuldenbremse. Wie weit kann man sich von den Sorgen der Menschen noch entfernen«, kommentiert sie die Diskussion um den Bundeshaushalt 2023.

Nach Auffassung der Linken lehne der Finanzminister ein gerechtes Steuersystem schlicht ab, was zu schweren Verwerfungen in der Gesellschaft führe. »Wir erleben die höchsten Preissteigerungen seit 40 Jahren, doch Herr Lindner speist die Inflationsopfer mit Almosen ab und schont die Vermögenden wie ein gelernter Vermögensverwalter«, so Lötzsch. Die bisherigen Entlastungspakete könnten nicht verhindern, dass arme Menschen noch ärmer werden. Gebraucht würden stattdessen ein wirksamer Preisdeckel für Mieten, Energie und Grundnahrungsmittel. »Die Einnahmen aus einer Übergewinnsteuer für Krisengewinnler könnten wir für die Finanzierung des Preisdeckels nutzen«, schlägt Lötzsch vor.

Zudem sei die Behauptung, dass kein Geld mehr in der Bundeskasse sei, nur der Versuch, vergessen zu machen, dass die Ampel ein »Sondervermögen Bundeswehr« über 100 Milliarden Euro beschlossen hat. »Kanonen-statt-Butter hat die Menschen noch nie satt gemacht«, fasst Lötzsch es in einem Slogan zusammen. Mit der endgültigen Verabschiedung des Haushalts 2023 ist jedoch erst zum Jahresende zu rechnen.

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