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Vorurteile ohne Witz

Der Film »Monsieur Claude und sein großes Fest« enttäuscht mit dumpfem Klamauk

  • Gabriele Summen
  • Lesedauer: 5 Min.
Noch immer ressentimentbeladen: Monsieur Claude (Christian Clavier) im Kreise der Schwiegereltern seiner Töchter
Noch immer ressentimentbeladen: Monsieur Claude (Christian Clavier) im Kreise der Schwiegereltern seiner Töchter

Vor wenigen Wochen gewann der rechtsradikale Rassemblement National bei der Parlamentswahl in Frankreich zum ersten Mal genügend Sitze in der Nationalversammlung, um eine Fraktion zu stellen. In ihrem Wahlkreis in Nordfrankreich wurde die ultrarechte Marine Le Pen, die für ihre ätzenden Tiraden gegen Zuwander*innen bekannt ist, mit über 60 Prozent wiedergewählt.

Nun läuft seit April in den französischen Kinos der dritte Teil einer der erfolgreichsten französischen Filmreihen aller Zeiten – der Komödie »Monsieur Claude und sein großes Fest« von Regisseur und Mitautor Philippe de Chauveron, der angetreten ist, mit rassistischen Vorurteilen zu spielen und die Zuschauer*innen mit ihren eigenen latenten Ressentiments zu konfrontieren. Doch gelingt ihm das auch noch im dritten Teil?

12,3 Millionen Kinobesucher*innen in Frankreich amüsierten sich 2014 über den Pilotfilm, in dem die vier bildhübschen Töchter des katholisch-konservativen Monsieur Claude zu seinem Entsetzen ausgerechnet Zuwanderer unterschiedlicher Glaubensrichtungen heiraten. Auch als der hinter einer hauchdünnen Fassade offen rassistische Spießbürger im zweiten Teil um jeden Preis verhindern will, dass die Töchter mit ihren Ehemännern Frankreich verlassen, um in der Fremde zu leben, strömten immerhin noch 6,8 Millionen in die Kinos, um sich das politisch inkorrekte Spektakel anzuschauen.

Bei seinem Start in den französischen Kinos im April dieses Jahres nahm auch der dritte Teil – wie schon seine Vorgänger – den ersten Platz in den Charts ein. Dieses Mal planen Claudes Töchter zum 40. Hochzeitstag ihrer Eltern heimlich das titelgebende große Familienfest – zu dem sie auch die über den Erdball verstreuten Schwiegereltern einladen.

Auch in diesem Teil der Culture-Clash-Komödie hat sich der gestresste Familienpatriarch Claude Verneuil (Christian Clavier) im Gegensatz zu seiner Frau immer noch nicht damit abgefunden, dass er einen jüdischen, einen arabischen, einen chinesischen und einen afrikanischen Schwiegersohn hat.

Im ersten Teil der Mainstream-Komödie waren seine kulturellen Vorurteile und das Spiel mit ethnischen Klischees noch eine recht witzige, gewagte Grundidee – was offensichtlich den Nerv eines großen Publikums traf. Der Film hielt den Kinobesucher*innen, von denen mutmaßlich viele noch immer jahrhundertealten rassistischen Vorurteilen anhängen, recht treffend den Spiegel vor. Ebenso in Deutschland und Österreich: Hierzulande sahen 3,9 Millionen Zuschauer*innen den Film, in Österreich immerhin weit über 400 000.

Beim 2019 erschienenen zweiten Teil konnte man schon nicht mehr so befreit auflachen, denn die rassistischen Vorurteile des Monsieur Claude hatten sich nicht im Mindesten verändert – und da man die Geschichte hauptsächlich aus seinen Augen erlebt, begann man sich trotz des klamaukigen Filmgenres ein wenig unwohl in seiner Haut zu fühlen.

Während das reale Frankreich im Jahr 2022 noch ein Stück weiter nach rechts gerückt ist, werden wir nun im neuesten Teil der Reihe damit konfrontiert, dass der Familienpatriarch im Grunde immer noch ganz der Alte ist.

Zu Beginn des Films erlebt Monsieur Claude den morgendlichen Spaziergang durch sein idyllisches Heimatstädtchen an der Loire als Spießrutenlauf, trifft er doch alle paar Meter auf einen seiner Schwiegersöhne, die er im zweiten Teil noch überredet hatte, sich in der Nähe von ihm und seiner Frau Marie (Chantal Lauby) niederzulassen. Bereits dieses Szenario wirkt eher so, als stehe der Film zu den präsentierten Vorurteilen gegenüber Menschen aus anderen Teilen der Welt, statt sie zu entlarven.

Zudem scheint de Chauveron seine geistreichen Ideen in den ersten beiden Teilen so gut wie verschossen zu haben. So verfolgt man beispielsweise die Episode, in der der Jude David (Ary Abittan) und der Araber Rachid (Medi Sadoun) sich wegen überhängender Äste im Garten bekriegen und letztlich eine Mauer bauen, mit hängenden Mundwinkeln. Wie symbolisch. Würde auch gut in eine deutsche Vorabendserie passen.

Und dann reisen auch noch die Eltern der jungen Männer an. Rachids Vater hält sich fälschlicherweise für einen tollen Rockmusiker und will auf der Hochzeit zum Leidwesen seiner Frau unbedingt ein Ständchen bringen. Das hätte der Idee nach zum Fremdschämen witzig sein können, ist aber zum Fremdschämen unwitzig. Chaos Mutter hingegen versucht sich ständig davonzuschleichen, um zu saufen. Auch hier will der Gag nicht so richtig zünden.

Über den am Reißbrett entworfenen deutschen Kunstsammler Helmut Schäfer, der Wagner hört, Goethe zitiert, Porsche fährt, offenbar auf Claudes Tochter Ségolène scharf ist und ihre grässliche Eingeweide-Kunst in den höchsten Tönen lobt, kann man leider ebenso wenig lachen. Befremdlich wirkt auch, dass Monsieur Claude sich diebisch darüber freut, dass Schäfer einen Keil zwischen seine Tochter und seinen chinesischen Schwiegersohn treibt.

Dazu kommt, dass bei diesem Teil der Reihe das Timing überhaupt nicht stimmt. Die klamaukige Komödie plätschert vor sich hin wie ein zäher ZDF-Fernsehabend. Dort könnte man sich auch gut die zum Gähnen langweiligen Streitereien vorstellen, zum Beispiel darüber, wer denn nun von den Schwiegereltern in der aufblasbaren Jurte schlafen soll.

Auch die Ehefrauen, die scheinbar aus dem vorigen Jahrhundert stammen und heimlich die Hosen anhaben, sowie Monsieur Claudes profillose drei Model-Töchter und die zur Hysterie neigende Ségolène wirken mittlerweile selbst für eine Mainstream-Komödie reichlich angestaubt.

Sogar Charles’ ebenfalls mit rassistischen Vorurteilen beladener und wunderbar besserwisserischer Vater André (Pascal N’Zonzi) von der Elfenbeinküste, der aus den vorangegangenen Teilen besonders in Erinnerung blieb, geht unter in diesem Ensemblefilm mit unübersichtlich vielen Darsteller*innen, die um die Bildschirmzeit zu konkurrieren scheinen und deshalb zu öden Klischeefiguren verkommen.

In einem immer stärker zu Rassismus, Abgrenzung und Vorurteilen neigenden politischen und gesellschaftlichen Klima in Frankreich und anderswo wirkt dieser lahme dritte Aufguss der Monsieur-Claude-Reihe also eher »cringe« (das heißt, er lässt einen sich zusammenkrümmen vor Fremdscham) – um als Babyboomerin ausnahmsweise mal den Slang der Millenials und Zoomers zu übernehmen. Letztere Generationen zeigen sich deutlich sensibler für Rassismus- und Diskriminierungsfragen als ihre Eltern.

»Monsieur Claude und sein großes Fest«, Frankreich 2021. Regie: Philippe de Chauveron, Buch: Guy Laurent, Philippe de Chauveron. Mit: Christian Clavier, Chantal Lauby, Émilie Caen. 98 Min. Jetzt im Kino.

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