Waldbesetzung gegen Autobahnausbau vorerst beendet

Klimaschützer räumen Camp wegen Waldbrandgefahr

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 4 Min.

Trockenheit und Hitze haben auch Auswirkungen auf die Klimabewegung. Vor einigen Tagen verließen Umweltschützer ein Waldstück in der Nähe von Seehausen in der Altmark, weil die Waldbrandgefahr gewachsen ist. Die jungen Besetzer*innen, die im April 2021 in dem Forst Baumhäuser errichtet hatten, nannten ihr Protestcamp »Moni«. Ihre Aktion richtete sich gegen die Verlängerung der Autobahn A14 von Magdeburg nach Schwerin.

Eine Klage der Naturfreunde just gegen den Verkehrsabschnitt zwischen Osterburg und Seehausen war Anfang Mai vom Bundesverwaltungsgericht in Leipzig abgewiesen worden. Die Kammer hatte erklärt, das Land Sachsen-Anhalt müsse auch in Sachen Klimaschutz seine Pläne nicht verändern.

Die jungen Waldbesetzer*innen hatten im vergangenen Sommer im Gespräch mit »nd« deutlich gemacht, dass es ihnen um mehr geht als um die Verhinderung einer Autobahn. Ihre Utopie war ein antifaschistisches Zentrum in der Altmark, an dem sich auch Menschen aus der Region beteiligen sollten. Entstehen sollte es im alten Bahnhofsgebäude von Seehausen, das seit Jahren leer stand und den Aktivist*innen vom Eigentümer zur Nutzung überlassen worden war. Einige begannen, Schutt aus dem Gebäude zu räumen. Sie renovierten die ehemalige Wartehalle. Ältere Anwohner*innen kamen damals häufiger zu Besuch und brachten ihre Wertschätzung für das Engagement der jungen Menschen zum Ausdruck. Doch es gab auch hasserfüllte Reaktionen gegen die Aktivitäten im Bahnhofsgebäude und die Waldbesetzung. Mehrere Attacken von Neonazis, darunter zwei Brandanschläge auf den Bahnhof, gab es im letzten Jahr. Letztere richteten aber nur geringen Schaden an.

Auch im Juni dieses Jahres kam es wieder zu einer Brandstiftung. Die Aktivist*innen wollen sich indes nicht an Spekulationen über mögliche Täter beteiligen, solange es über diese keine Erkenntnisse gibt. Einer der Initiatoren des Seehausener Kulturbahnhofs erinnerte im Gespräch mit »nd« daran, dass der wichtigste Grund für den sich zuspitzenden Konflikt das Vorhaben war, diesen auch in einen Ort des Protestes gegen eine Autobahn zu verwandeln. »Wenn dadurch ein Klima des sozialen Krieges erzeugt wird, dann zeigt das, wie tief die Gräben in der Gesellschaft bereits davor waren«, sagt der Aktivist.

Zwei der nun ehemaligen Moni-Besetzer*innen betonen gegenüber »nd«, sie hätten mit der Räumung ihres Camps »einerseits einen politischen Brand in der Region, der durch rechte Stimmungsmache angefacht wurde, andererseits die Brände auf dem Zunder einer vertrockneten Monokultur im Wald« löschen bzw. verhindern wollen. Beides werde durch eine destruktive Politik und durch Konzerne verursacht, die trotz der Klimakatastrophe Lebensraum zerstörten. Derzeit reiche im Wald ein Funken für ein Feuer. Ein Brand drohe im übertragenen Sinne wegen der Konflikte mit Bewohnern der Region, meinen die Umweltfreund*innen. Um das zu verhindern, habe man die Besetzung aufgegeben. Der Druck der Polizei habe dabei keine Rolle gespielt, versichern die Aktivist*innen: »Unsere Auseinandersetzung mit einem verantwortungsvollen Brandschutz lief unabhängig von behördlichen Eingriffen.«

Die Beiden möchten sich in der Region gern weiter in politischen Projekten engagieren. Doch nach dem Ende der Besetzung wolle man sich zunächst Zeit nehmen, auch um eigene Fehler zu reflektieren und Kraft für neue Projekte zu schöpfen.

Freude dürfte das vorläufige Ende der Waldbesetzung nicht nur bei Neonazis, sondern auch bei Behördenvertretern in der Altmark auslösen. Letztere hatten in den letzten Monaten wieder Räumungsversuche gestartet. Dabei hatte das Verwaltungsgericht Magdeburg bereits im Juni 2021 entschieden, dass die Besetzung unter das Recht auf Versammlungsfreiheit fällt. Damit haben die Umweltschützer*innen Rechtsgeschichte geschrieben, weil sich auf diesen Richterspruch auch andere Klimaaktivist*innen berufen können. Die beiden Ex-Besetzer*innen finden allerdings mittlerweile, der juristische Erfolg sei »ein zweischneidiges Schwert«. Denn seither habe es im Camp wöchentlich Besuch von der Polizei gegeben, die schwer bis gar nicht erfüllbare Forderungen gestellt und Auflagen erlassen habe.

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