Feindliche Einflussnahme

Die AfD setzt auf neue rechte Medien und Kooperationen

  • Dominik Lenze
  • Lesedauer: 4 Min.

Die AfD ist unzufrieden mit ihrer Repräsentation in den Medien. Alice Weidel, Bundessprecherin der Partei, kritisierte, dass die AfD »nirgends« vorkomme, sie selbst werde in keine Talkshow mehr eingeladen. Die »Journaille« sei »grün-links besetzt« und nur noch »Sprachrohr der Regierung«, sagte Weidel am Rande des Parteitags der baden-württembergischen AfD in Stuttgart der Deutschen Presse-Agentur. Deshalb wolle man »alternative Kanäle« aufbauen und unterstützen. Mit ihrem Wunsch nach einer rechten Gegenöffentlichkeit ist Weidel nicht alleine, in der Szene neurechter Meinungsmacher gibt es Verschiebungen: Etablierte Akteure verlieren an Einfluss und ziehen sich zurück, neue Plattformen entstehen und vernetzen sich zunehmend.

Lange Zeit war das staatsnahe russische Medienportal RT Deutsch eine Art Leitmedium für diese Szene. Im März 2022 sind Website und Telegram-Kanal in Deutschland gesperrt worden. Doch ein inoffizieller Nachfolger steht schon bereit: Das verschwörungsaffine Medienportal Auf1 ist mit über 200 000 Followern auf Telegram einer der reichweitenstärksten rechten Kanäle zurzeit. Das Portal hat der Österreicher Stefan Magnet im Mai 2021 in Linz gegründet. Wie Recherchen von Correctiv gezeigt haben, gehört Auf1 zu einem rechten Mediennetzwerk aus Oberösterreich, das der FPÖ nahesteht.

Auf1 zielt zunehmend auf ein deutsches Publikum ab. Bereits im April vereinbarte Auf1 eine Kooperation mit dem deutschen rechtsesoterischen Youtube-Kanal eingeschenkt.tv. Dadurch sollen »Synergieeffekte« und eine höhere Reichweite entstehen kann, man wolle so »sicherer werden gegen Zensur«, wie Auf1-Chef Stefan Magnet sagt. In Berlin soll demnächst eine Redaktion von Auf1 entstehen, die Redaktionsleitung wird ab August der langjährige Chefredakteur von Compact-TV, Martin Müller-Mertens, übernehmen.

»Compact« ist ein weiterer Knotenpunkt im rechten Mediennetz: Das gedruckte Monatsmagazin hat nach eigenen Angaben eine Auflage von 40 000 Exemplaren, auf Youtube erreicht Compact rund 150 000 Menschen. Man pflegt gute Kontakte zu rechten Extremisten jeglicher Couleur, von Reichsbürgern über »Querdenker« bis hin zur Identitären Bewegung. Der Verfassungsschutz stuft die herausgebende Organisation als gesichert extremistische Bestrebung ein. Für August lädt Compact-Chef Jürgen Elsässer zu einem Sommertreffen in eine ostdeutsche Kleinstadt. Dort sollen unter anderem Martin Kohlmann, Chef der rechtsextremen Kleinstpartei »Freie Sachsen«, der Islamwissenschaftler Hans-Thomas Tillschneider von der AfD Sachsen-Anhalt sowie Anselm Lenz auftreten.

Lenz hat die ersten »Hygienedemos« gegen die Corona-Maßnahmen in Berlin organisiert und ist Herausgeber der Zeitung »Demokratischer Widerstand«. Von künstlerisch-aktivistischen Texten gegen übertrieben erscheinende Schutzmaßnahmen ist die Zeitung zu einem medialen Treffpunkt für Verschwörungstheorien und Rechtsextremisten geworden: Es gibt gemeinsame Kampagnen mit den Freien Sachsen und der rechten Gewerkschaft »Zentrum Automobil«. Kürzlich ist ein Text des rechtsradikalen Publizisten Götz Kubitschek hier abgedruckt worden. Der Chef des neurechten Thinktanks »Institut für Staatspolitik« gilt als ein Vordenker des völkischen Flügels in der AfD. In Jürgen Elsässers »Compact«-Magazin inseriert die AfD bereits. Elsässer fabulierte im Juni in einer »Lagebesprechung« mit Stefan Magnet bei Auf1 von einem »Bündnis zwischen Hochfinanz und Linken« und rezitierte russische Propaganda. Den Angriffskrieg auf die Ukraine feiert er als Widerstand gegen die »Neue Weltordnung«: Putin habe den Mut gehabt, dem »globalistischen Imperium seine Grenzen aufzuzeigen«.

»In Österreich hat sich Auf1 binnen eines Jahres als relevanter Player etablieren können. Und es gibt Anzeichen, dass Ähnliches am deutschen Markt gelingen könnte«, sagt Bernhard Weidinger vom Dokumentationsarchiv Österreichischer Widerstand dem »nd«. Der deutsche Markt für Verschwörungsmythen sei aus zwei Gründen für die Macher von Auf1 relevant: Erstens sei der Markt größer und deshalb ökonomisch interessant. Zweitens können sich die Macher größere Einflussnahme versprechen – »auf die Politik eines Landes, das in der europäischen Politik tatsächlich eine gewichtige Rolle spielt«, so Weidinger.

Auf ihrem Landesparteitag in Baden-Württemberg hat die AfD auch diskutiert, ob man sich in bestehende Medienhäuser einkaufen könne. Die AfD-Politiker Markus Frohnmaier, Martin Hess und Marc Jongen hatten dies in einem Antrag vorgeschlagen. »Natürlich könnte die AfD versuchen, sich irgendwo einzukaufen«, teilte Anja Pasquay, Sprecherin des Bundesverbands Digitalpublisher und Zeitungsverleger auf Anfrage des »nd« mit: »Die Partei müsste allerdings auch erst einmal einen verkaufswilligen entsprechenden Verlag finden.« Einen Versuch politischer Einflussnahme, gleich welcher extremen politischen Richtung, würde man mit Sorge beobachten.

Bei einigen rechten österreichischen Medien lese man inzwischen häufiger Gastbeiträge von AfD- als von FPÖ-Politikern, so Weidingers Beobachtung. Die FPÖ baue bereits seit 15 Jahren an dieser »medialen Parallelwelt«, sagt er. Davon kann die AfD nun profitieren. Erst Anfang des Jahres hat eine Delegation der FPÖ die AfD bei einer Klausurtagung besucht. Wenn Alice Weidel sagt, ihre Partei könne von der FPÖ viel lernen, klingt das daher wie eine Drohung.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -