Entspannter Wurf

Boule ist ein schöner Sport. So entspannt und wenig anstrengend, dass man fast behaupten könnte, es handelte sich gar nicht um Sport.

Ist der Sommer erst mal da, zieht’s einen auf fast magische Weise nach draußen. Der Körper sehnt sich nach Bewegung. Wirklich? Alljährlich bemerke ich aufs Neue dieses Schauspiel und bin verblüfft. Jede Art der körperlichen Ertüchtigung ist mir eigentlich zuwider. Eine demütigende Erinnerung daran, dass wir so unangenehm an dem Verfall ausgesetzte Leiber gebunden sind.

Was aber soll man tun, wenn der Körper so deutlich ruft? Es gibt fast unendlich viele Sportarten – und darunter kaum eine, die man ohne das Risiko der Selbsterniedrigung ausprobieren könnte. Mannschaftssportarten, sogenannte Spiele, kommen keineswegs infrage. Alles, was ein überdurchschnittliches Maß an Kraft oder Geschicklichkeit erfordert, scheidet ebenfalls aus. Einige Sommer bin ich des Nachts joggen gegangen, um mir wenigstens nicht die Blöße geben zu müssen, meinen durchschwitzten und erschöpften Körper auch noch vor Publikum zu präsentieren. Das Unfallrisiko nimmt allerdings wesentlich zu, wenn man nichts sehen kann.

Meine Ansprüche sind nicht hoch. Ich suche lediglich einen sportlichen Ausgleich, der ohne eifriges Geschrei von anderen Teilnehmenden, ohne allzu große Anstrengung, ohne Kostenaufwand auskommt. Wenn für meine Wunschsportart dazu nicht hinderlich ist, dass man bereits ein Glas Weißwein intus hat, und wenn der Langeweile physischer Rituale dadurch abzuhelfen ist, dass man sich nebenbei unterhalten kann, wäre ich schon zufrieden.

Freunde, wie ich eher den leiblichen Genüssen denn der Arbeit am stählernen Körper zugetan, haben mir das Tischtennisspiel ans Herz gelegt. Das sei eine Sportart, die jedem offenstehe, da überall im Stadtraum Tischtennisplatten aufgestellt seien, und die durchaus eine gewisse linke, proletarische Tradition beanspruchen könne. Zudem sei Tischtennis ein entspannter Sport, ohne Wettkampfdenken, bei dem man mit interessanten Menschen ins Gespräch komme.

Ich habe es ausprobiert. Aber die Anpreisungen fußten auf Lügen. Bis zur Erschöpfung schlagen die Menschen auf den Ball ein und laufen auf idiotische Weise um die Platte herum. Intellektueller Austausch findet während des Spiels nicht statt. Und die Beteiligten entwickeln beim dümmlichen Umhergehopse einen Eifer, der mir völlig fremd ist und eher lächerlich erscheint.

Ich hatte schon fast aufgegeben, bin dann aber auf die würdevollere Schwester des Tischtennisspiels gestoßen: Boule ist ein schöner Sport. So entspannt und wenig anstrengend, dass man fast behaupten könnte, es handelte sich gar nicht um Sport. Beim lässigen Werfen und Einsammeln der Kugeln kann man sich tatsächlich gut unterhalten. Und Boule kann man fast überall spielen. Das hat schon seinen Reiz: Sport mit Wasserblick.

Fängt man erst an, ein paar Kugeln zu werfen, bleiben bald auch Leute stehen, die an einem angeregten Gespräch Interesse haben. Dass der durchschnittliche Boule-Enthusiast drei bis vier Jahrzehnte älter ist als ich, stört mich nicht im Geringsten. Gemeinsame Gesprächsgrundlagen gibt es auf jeden Fall. Wenn ich mich nach einer Kugel bücke, knackt es auch bei mir weithin hörbar in den Knien, bevor es dann im Rücken zieht. Einen geringen Preis muss man eben auch für die schönste Art der sportlichen Betätigung zahlen.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.