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  • European Championships 2022 in München

Zurück auf die Schulbank

Volleyballerin Louisa Lippmann wagte den Schritt in den Sand. Dort lernt sie nun von den Allerbesten

Kira Walkenhorst (r.) und ihre Kurzzeitpartnerin Louisa Lippmann haben die EM-Vorrunde in München überstanden.
Kira Walkenhorst (r.) und ihre Kurzzeitpartnerin Louisa Lippmann haben die EM-Vorrunde in München überstanden.

Ab in den Schatten, raus aus der Hitze. Das war das Allerwichtigste für Kira Walkenhorst und Louisa Lippmann, obwohl die Sonne über Münchens Königsplatz nicht einmal ihren Zenit erreicht hatte. Es ist heiß in Bayerns Metropole, und speziell Lippmann ist es noch nicht gewohnt, bei Temperaturen von weit mehr als 30 Grad in praller Sonne Höchstleistungssport zu betreiben. Nur ein Element, das sie neu erlernen muss nach ihrem Umstieg vom Hallen- zum Beachvolleyball.

Jahrelang war Lippmann die beste deutsche Volleyballerin auf dem Parkett, doch nach Jahren, in denen sie fast ohne Pause fürs Nationalteam und Klubs in Deutschland, Italien, Russland und China spielte, zog sie im April plötzlich einen Schlussstrich unter diese Karriere. Sie wollte raus aus dem Hamsterrad. Eine neue Motivation sollte her, neue Herausforderungen. Und sie fand diese am Strand beim Beachvolleyball. Wer nun meint, ein Umstieg von einer Disziplin zur anderen müsste für eine Spitzenathletin vom Format einer Louisa Lippmann leicht sein, der irrt sich gewaltig. »Im Grunde sind das zwei völlig verschiedene Sportarten«, sagt die 27-Jährige. »Ich habe gerade viel zu lernen.«

Das zeigte sich auch am Mittwochvormittag bei ihrem zweiten Gruppenspiel bei den European Championships an der Seite von Olympiasiegerin Kira Walkenhorst. Lippmann war in der Halle Diagonalangreiferin, eine hoch spezialisierte Position. Im Sand muss sie nun auch Pässe zuspielen und ist zugleich in der Annahme der gegnerischen Aufschläge gefordert. Konnte sich Lippmann im Angriff früher auf ihre Schlaghärte verlassen, muss sie nun mit kurzen Cuts oder langen Lobs um den gegnerischen Block herum. Hinzu kommt, dass die jahrelang erlernten Anläufe für Auf- und Schmetterschläge hier nicht funktionieren. Und bei den taktischen Kniffen des Positionsspiels ist man da noch immer nicht angekommen.

So erstaunt es ein wenig, dass Lippmann bei dieser EM nicht nur gleich an die Seite einer so herausragenden Spielerin wie Walkenhorst gestellt wurde. Sie darf spätestens ab dem nächsten Sommer sogar mit Laura Ludwig ein Paar bilden, das gezielt auf Olympia 2024 in Paris vorbereitet werden soll. »Ich darf von den besten Allerbesten lernen. Und so kann ich auch ein paar Punkte sammeln, um bald mehr internationale Turniere zu spielen.«

Ludwig hat im Sand schon alles gewonnen und ist auf ihrer Position wohl die beste Spielerin der Welt. Nach Walkenhorsts verletzungsbedingtem Rücktritt Anfang 2019 war sie schon einmal mit einer herausragenden Hallenspielerin, Margareta Kozuch, zusammengestellt worden. An die ganz großen Erfolge konnte sie danach aber nicht mehr anknüpfen. Trotzdem geht sie nach der zweiten Babypause vielleicht schon ab diesem Herbst nun noch einmal diesen Weg mit Lippmann.

Dabei sucht auch Walkenhorst wieder den Weg an die Weltspitze. Nach vielen Operationen sind die chronischen Rückenbeschwerden endlich im Griff und die Blockspezialistin schon wieder in Bestform. Als Lippmann im Spiel gegen die Litauerinnen Monika Paulikiene und Erika Kliokmanaite plötzlich mit Kreislaufproblemen kämpfte und nach dem Satzausgleich zum 1:1 das frühe EM-Aus drohte, rückte die 31-jährige Walkenhorst auf ihre angestammte Position vorn am Netz und drehte die Partie fast im Alleingang mit krachenden Blocks und einem Ass beim Matchball.

»Ich fühle mich wirklich gut. Ich will aber erst nach den Deutschen Meisterschaften in zwei Wochen entscheiden, ob ich Paris 2024 noch mal als Ziel angehe, wenn ich weiß, was mein Körper noch aushält. Aber ich kann jetzt schon sagen, dass er bisher alles überraschend gut mitmacht«, so Walkenhorst.

Eine EM-Medaille in München scheint dennoch ausgeschlossen, dafür fehlt es Lippmann vor allem noch an taktischer Finesse. Trotz der sichtbaren Probleme gab es Lob von Kollegin Walkenhorst: »Louisa hat sich heute ganz stark durchgekämpft. Vor allem, wenn man so kaputt ist, immer weiter die Konzentration hochzuhalten, ist nicht einfach. Das hat sie richtig gut gemacht.«

Lippmann selbst gab sich bescheidener. »Es wäre auch überheblich, jetzt schon zu erwarten, dass ich alles drauf habe, und es so läuft wie in der Halle«, sagt sie. »Die Beacher machen das seit Jahren und haben mir einiges voraus. Für mich sind viele Elemente sehr neu. Aber diese Entscheidung habe ich bewusst getroffen, und es macht sehr viel Spaß, das alles zu lernen.« Die nächste Chance dazu gibt es an diesem Donnerstag in der EM-Zwischenrunde.

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