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Geheimsache Nachhaltigkeit
Die Bundesliga zeigt, dass es auch ohne Flutlicht am hellichten Tage geht
Für diesen Sonnabend sind in vielen Landesteilen Regenfälle angekündigt. Was eine gute Nachricht für Flora und Fauna sein dürfte, ist hingegen eher eine schlechte Nachricht für all die Fans, die hoffen, dass auch ihr Verein mal kritisch hinterfragt, ob es mitten am Tag tatsächlich eine voll angeschaltete Flutlichtanlage braucht, um ein Fußballspiel über die Bühne gehen zu lassen.
Weil genau das nicht nur viele Fans, sondern auch zunehmend viele Angestellte in den Vereinen und Verbänden verneinen, gab es am vergangenen Wochenende – weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit – einen Modellversuch, der offenbar eher positiv ausgefallen ist. Allerdings war der vergangene Sonnabend, als bei den Heimspielen des Zweitligisten Karlsruher SC und des Erstligisten TSG Hoffenheim das Licht ausblieb, auch ein heißer, wolkenloser Tag im Südwesten. Hätte der Karlsruher Stadionsprecher Martin Wacker das Publikum nicht ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, es hätte wohl keiner gemerkt, dass an diesem 13. August doch tatsächlich das Flutlicht aus war.
Dass es im Normalfall angeschaltet gewesen wäre, halten viele Fans für eine unnötige Energieverschwendung, zumal in Zeiten, in denen sich die Politik mit Appellen überschlägt, jede verbrauchte Kilowattstunde auf den Prüfstand zu stellen. Doch was die Zuschauer im Stadion an Sonnentagen kaum wahrnehmen – hell erleuchtete Flutlichtmasten auch bei Zweitligapartien am Sonnabend um 13 Uhr – schreibt der Fernsehvertrag vor, den alle Profiklubs mit den Rechteinhabern geschlossen haben. Eine bessere Auflösung der Bilder vom Spielfeld und den direkt angrenzenden Zuschauerbereichen soll so gewährleistet werden.
Die Sender bestanden bisher auch deshalb auf das künstliche Licht, um bei Konferenzschaltungen eine möglichst einheitliche Optik zu gewährleisten. Wenn der SC Freiburg im strahlenden Sonnenschein spielt und Werder Bremen im Nieselregen, wäre der Kontrast bei Konferenzschaltungen ohne Flutlicht zu krass, so die Befürchtung.
Dabei steht die Bundesliga noch nicht mal an der Spitze der Stromverschwender. Auf Uefa-Ebene sind 2000 Lux vorgeschrieben, die Fifa verlangt seit 2007 für ihre Spiele sogar 2400 Lux – und würde am liebsten auf 2500 erhöhen. Doch dafür wären solch gigantische technische Anlagen nötig, sodass mancherorts das Dachtragwerk kapitulieren würde. In der Bundesliga wird laut Medienrichtlinien der Deutschen Fußball-Liga (DFL) eine Mindestbeleuchtungsstärke von 1600 Lux benötigt (empfohlen werden 2000); 1200 sind es in der zweiten. Und auch in der dritten Liga, im Zuständigkeitsbereich des DFB, ist eine Flutlichtanlage Teil der Lizenzierungsanforderungen. Wer hier keine mindestens 1000 Lux starke Anlage vorweisen kann, riskiert die Lizenz.
Dass die DFL den Modellversuch nun wohlwollend begleitet, kommt dabei wohl nicht von ungefähr. Zum einen, heißt es, hätten zahlreiche Vereine angeregt, die bisherige Flutlicht-Praxis zu überdenken. Und tatsächlich berichten Vereinsvertreter fast flächendeckend, sie hätten zuletzt zahlreiche Zuschriften von Fans und Mitgliedern bekommen, die ihnen »Greenwashing« vorwarfen. Solange die großen Stromfresser tabu seien – also Rasenheizung, Flutlicht und die mit hohem Energieaufwand künstlich bestrahlten Spielfelder, wo in den tageslichtarmen Arenen ansonsten der Rasen verwelken würde –, seien »Nachhaltigkeitsspieltage« und diverse kleinere Maßnahmen reine Makulatur.
Auch der ehemalige DFL-Geschäftsführer Andreas Rettig hatte zuletzt in einigen Interviews, wie am 25. Juli in »nd«, den Druck erhöht und einige Fragen gestellt, mit denen er auf viel positive Resonanz stieß. »Warum stellen wir nicht aufs Kalenderjahr um?«, fragte er. »Man spielt von März bis Dezember und spart enorm viel Öl und Gas, das für Flutlicht, Rasenheizung oder all die beheizten Innenräume anfällt, die jedes Wochenende bis runter in den Amateurbereich betriebsbereit gehalten werden müssen.« Man schaffe »künstliche Veranstaltungen, Frostfreiheit, damit auch im Winter Brot und Spiele inszeniert werden können«, und treibe die »Lux-Zahl beim Flutlicht« in immer neue Höhen, »um noch bessere TV-Bilder zu bekommen«. All das gehe »genau in die falsche Richtung«.
So sieht es auch das Fan-Netzwerk Zukunft Profifußball, das dem Ligabetrieb Ende Juli die Leviten las. Dass Nachhaltigkeitskriterien nun Teil der Lizenzierungsordnung seien, begrüße man. Näher betrachtet handele es sich aber um einen »ambitionslosen Kriterienkatalog, mit dem der Profifußball seiner Verantwortung nicht gerecht wird«. Etwas diplomatischer äußert sich der FC Playfair. Das Netzwerk, dem auch Funktionäre wie der Stuttgarter Präsident Claus Vogt und sein KSC-Pendant Holger Siegmund-Schulze angehören, hat Mitte der Woche seine »Situationsanalyse Nachhaltigkeit 2022« veröffentlicht und moniert, dass viele Vereine beim Flutlicht noch nicht einmal auf Energieeffizienz achten: »Es gibt übrigens auch stromsparende LEDs.«
Bei den Verbänden scheint die Kritik derweil angekommen zu sein. Noch vor einem Jahr wäre es jedenfalls undenkbar gewesen, dass die DFL in einen Modellversuch wie den vom Wochenende einwilligt. Und auch der DFB veröffentlichte am Dienstag ein Schreiben, in dem er Gespräche mit der Politik ankündigte, um die von den Preissteigerungen im Energiesektor betroffenen Vereine zu entlasten. Gleichzeitig versandte man an die über 24 000 Mitgliedsvereine Tipps, wie man künftig Energie sparen könne.
Und der Modellversuch? Eine offizielle Auswertung gibt es noch nicht. Beim KSC haben sie sich die Fernsehbilder allerdings schon mal angeschaut und »mit bloßem Auge keinen Unterschied zu Mittagsspielen mit Flutlicht erkennen können«, berichtet Vereinssprecher Florian Kornprobst.
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