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Kinderarbeit als Unterhaltung
Family Vlogs werfen wichtige Fragen über Kinderarbeit auf Social Media auf
Family Vlogs sollen harmlose Videos über den Alltag einer Familie sein, doch dahinter verbergen sich potenziell kindesgefährdende Verhältnisse. Der Fall von Myka und James Stauffer, zwei erfolgreichen Family-Vlogger*innen, hat das vor zwei Jahren eindringlich gezeigt: Das Paar adoptierte 2017 einen zweieinhalbjährigen Jungen aus China und dokumentierte den Prozess auf Youtube. Drei Jahre lang war der Junge neben den nicht adoptierten Kindern des Paares immer wieder der Fokus der Videos – bis die Eltern ihn unter anderem mit Verweis auf seine Autismusdiagnose wieder abgaben. Die Kritik, das Kind sei nur als Darsteller in den Vlogs und deren Werbesegmenten benutzt worden, schlug hohe Wellen.
Auch bei Family Vlogs, deren Vorgehen nicht ganz so haarsträubend ist, stellt sich die Frage, inwiefern die Kinder vermarktet werden und sogar arbeiten müssen. Denn sobald die Kinder für kommerzialisierte Videos gefilmt werden und dadurch einen zentralen Bestandteil eines oft lukrativen Unternehmens darstellen, arbeiten sie. Die Eltern verdienen daran, was im Regelfall auch den Kindern zugutekommt – jedoch ohne dass diese ihre Einwilligung zu diesem Prozess geben können. Sie haben bis zu einem gewissen Alter schlicht und ergreifend nicht die Fähigkeit, das Ausmaß eines regelmäßigen Family Vlogs zu begreifen.
Dazu kommt, dass viele der Videos auf extremen Emotionen aufbauen, die die Kinder vor der Kamera produzieren müssen. Wenn die Eltern häufig neue Vlogs online stellen, bedeutet das, dass die Kinder oft künstlich in Situationen gebracht werden, die außergewöhnliche Wut, Freude, Ekel oder Ähnliches hervorrufen – und das posten auch noch die Erwachsenen, denen sie am meisten vertrauen. Das kann emotional höchst belastend sein, gerade für kleine Kinder.
Das grundlegende Problem ist aber auch für Menschen relevant, die kein Geld über Social-Media-Plattformen verdienen, sondern einfach so Fotos oder Videos posten. Was für Eltern eine süße oder lustige Erinnerung sein mag, können Kinder Jahre später als ein höchst privates Erlebnis einordnen, das nicht allen zugänglich sein sollte. Ist ein Bild oder Video aber einmal auf Social Media gepostet, ist die endgültige Löschung praktisch nicht mehr möglich.
Es stellt sich die Frage, inwieweit Eltern ihr Bedürfnis, Ereignisse aus der Familie mit anderen Menschen auf Social Media zu teilen, gegen die mögliche Verletzung der Privatsphäre ihrer Kinder aufwiegen können. Dabei ist es von großer Bedeutung, die eigenen Kinder als vollwertige Menschen anzuerkennen und zugleich ihre mangelnde Handlungsfähigkeit zu berücksichtigen.
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