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Hoffnung auf Friedensgespräche
SPD-Politiker fordern neue diplomatische Initiativen, um den Krieg in der Ukraine zu beenden
Eine Gruppe von SPD-Politikern, die mehrheitlich dem linken Flügel der Partei zugerechnet werden, fordert eine diplomatische Offensive zur Beendigung des Krieges in der Ukraine. So steht es in ihrem Aufruf mit dem Titel: »Die Waffen müssen schweigen!« »Wir brauchen einen schnellstmöglichen Waffenstillstand als Ausgangspunkt für umfassende Friedensverhandlungen«, schreiben die Autoren. Die EU und ihre Mitgliedstaaten müssten ihre diplomatischen Anstrengungen verstärken, um eine Waffenruhe zu befördern. »Große und wichtige Staaten mit ökonomischer Potenz wie China, Indien, Brasilien und Südafrika sind neutral. Da kann man ansetzen und sie könnten vermitteln. Das muss mit Druck auf Russland einhergehen, denn die Regierung in Moskau ist der Aggressor«, sagte der frühere Bremer Bürgermeister und ehemalige Wortführer der SPD-Linken im Bundestag, Carsten Sieling, gegenüber »nd«.
Der Bremer Bürgerschaftsabgeordnete und Mitunterzeichner des Aufrufs betonte, dass zwar die Verteidigungsfähigkeit der Ukraine gegen den russischen Angriff hergestellt werden müsse. »Aber immer mehr Waffenlieferungen führen nicht zu einer Lösung des Konflikts. Vielmehr müssen die Konfliktparteien miteinander sprechen. Die diplomatischen Aktivitäten müssen in einem größeren Maßstab in Gang kommen«, so Sieling.
In dem Papier wird eine »rote Linie« bei den westlichen Waffenlieferungen an die Ukraine gefordert. Diese liege dort, wo Waffenlieferungen als Kriegseintritt wahrgenommen werden und entsprechende Reaktionen provozieren könnten. »Die Einrichtung von Flugverbotszonen, die Lieferung von Kampfpanzern oder Kampfjets würden diese Grenze sicher überschreiten.«
Die Autoren legen nahe, dass sich nicht nur Russland, sondern auch die Ukraine bewegen muss, damit wieder Frieden herrscht. Kiew wird ein Recht auf Selbstverteidigung zugesprochen. Gleichwohl müsse aber »auf Basis der Zurkenntnisnahme von Realitäten, die einem nicht gefallen, mit der russischen Regierung ein Modus Vivendi gefunden werden, der eine weitere Eskalation des Kriegs ausschließt«, verlangen die Unterzeichner. Dazu müsse es eine Vereinbarung zwischen der Ukraine und Russland geben. »Die Realität ist, dass die Ukraine ein Vielvölkerstaat ist und in einigen Regionen sehr viele Russen leben. Eine föderale Struktur könnte die Lösung für das Land sein. Für die Krim muss ein besonderer Status gefunden werden«, erklärte Sieling.
Scharfe Kritik kam aus den Reihen von CDU und Grünen. »Während in der SPD Forderungen nach Friedensverhandlungen aufgestellt werden, mobilisiert Putin weiter Soldaten und Material, um die Ukraine auszulöschen«, schrieb der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen auf Twitter. »Verhandlungen zu fordern, obwohl offensichtlich ist, dass Russland daran absolut kein Interesse hat, ist bestenfalls illusorisch«, fügte er hinzu. Die Grünen-Militärpolitikerin Sara Nanni warf den Sozialdemokraten auf Twitter vor, vielleicht »die Zerstörung der ukrainischen Gesellschaft« als Realität zu sehen.
Hintergrund des Textes der Sozialdemokraten ist auch die Energiekrise seit Beginn des Krieges. »Mehr Normalität in der Energiepolitik zwischen Deutschland und Russland wäre notwendig und sehr wünschenswert. Russland hat ja noch mehr Potenzial als nur Gas. Wir werden die Klimaziele nicht erreichen, wenn der Krieg weitergeht und wir bei der Bekämpfung des Klimawandels nicht mit Ländern wie Russland und China kooperieren«, sagte Sieling. Eine grundsätzliche Verbesserung der Beziehung zu Moskau sei allerdings erst in der Ära nach dem amtierenden Präsidenten Wladimir Putin möglich, räumen die Autoren in dem Text ein.
Neben Sieling haben auch die Bundestagsabgeordneten Jan Dieren, Rainer Keller, Tina Rudolph, Carolin Wagner und Jens Peick, die Europaabgeordneten Dietmar Köster, Constanze Krehl und Joachim Schuster, mehrere Landtagsabgeordnete, Bremens SPD-Landesvorsitzender Reinhold Wetjen sowie Dortmunds Oberbürgermeister Thomas Westphal unterzeichnet.
Dieren, Rudolph und Wagner zählten zu den insgesamt acht SPD-Abgeordneten, die im Sommer im Bundestag gegen das Sondervermögen für die Bundeswehr gestimmt hatten, das 100 Milliarden Euro betragen soll. Trotzdem wurde die notwendige Zweidrittelmehrheit erreicht, da neben der großen Mehrheit von SPD, Grünen und FDP auch die oppositionelle Union für die Aufrüstung votierte. Sieling sah den Aufruf allerdings nicht als Kritik an der bisherigen Linie seiner Partei. »Die SPD muss den Weg weitergehen, den sie in diesem Konflikt eingeschlagen hat«, sagte er. Wichtig sei es, weiter einen kühlen Kopf zu bewahren. »Kanzler Olaf Scholz ist umsichtig und vorsichtig. Nun muss die Bundesregierung sich auch im europäischen Kontext für Friedensgespräche einsetzen«, forderte Sieling.
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