• Kultur
  • Serie: House of the Dragon

Splatter, Pop und Mittelalter

Das Prequel »House of the Dragon« erzählt opulent die Vorgeschichte der Fantasy-Serie »Game of Thrones«

  • Florian Schmid
  • Lesedauer: 4 Min.
Im Gegensatz zu anderen Formaten dieses Genres kommt "House of the Dragon" mit wohl dosierter Fantastik aus.
Im Gegensatz zu anderen Formaten dieses Genres kommt "House of the Dragon" mit wohl dosierter Fantastik aus.

Kaum eine Fantasy-Serie war in den vergangenen zehn Jahren so erfolgreich und so genreprägend wie »Game of Thrones«. Die Adaption von George R.R. Martins Buchreihe »Das Lied von Eis und Feuer« in Form von acht Staffeln Qualitätsfernsehen mit spätmittelalterlicher und parallelweltlicher Fantastik aus dem Hause HBO gilt auch darüber hinaus als Meilenstein unter den Serienproduktionen. Wobei die letzten beiden Staffeln, die nicht mehr so nah an den Romanvorlagen blieben, von Fans mitunter scharf kritisiert wurden.

Dennoch verwundert es nicht, dass die Serie jetzt mit dem Prequel »House of the Dragon« eine Art Fortsetzung erlebt. Von Machart und Erscheinungsbild finden sich Zuschauer und Fans in der gewohnten spätmittelalterlichen, heute zum popkulturellen Kanon gehörenden Parallelwelt des George R.R. Martin wieder, der schon vor zehn Jahren auf die Time-Liste der 100 einflussreichsten Menschen der Welt gesetzt wurde.

»House of the Dragon« liegt Martins 2019 erschienener Spin Off-Band »Feuer und Blut« zugrunde, eine Art fiktives Sachbuch, das eine Vorgeschichte von »Game of Thrones« und des Herrscherhauses Targaryen erzählt. Die Handlung der hierzulande auf Sky wöchentlich ausgestrahlten Serie liegt knapp 200 Jahre vor »Game of Thrones«.

Die Geschichte der weißblonden, Drachen zähmenden Herrscher, die auch schon in »Game of Thrones« in der Person Daenerys Targaryen (Emilia Clarke) eine zentrale Rolle spielen, wird vor allem anhand der umstrittenen dynastischen Erbschaftslinie erzählt, die sich als roter Faden durch die ganze Staffel zieht.

Das Haus Targaryen steht für die alten mächtigen Dynastien der »Game of Thrones«-Welt. Die Frage, ob Prinzessin Rhaenyra Targaryen (Milly Alcock) als Erbin ihrem Vater König Viserys auf dem Thron nachfolgen kann, führt zu den erwartbaren Machtkämpfen. »House of the Dragon« fächert das komplexe Intrigenspiel und dessen kleinteilige Entwicklung am königlichen Hof über Jahre hinweg auf. Dabei ringt der frustrierte und überaus aggressive Königsbruder Daemon (Matt Smith) ebenso um den Thron wie seine Schwägerin Alicent (Emily Carey), die königlichen Berater und andere einflussreiche Familien. Gleichzeitig erzählt die Serie vom Erodieren dynastischer Macht, von Aufständen, Kriegen, dem Kampf gegen mörderische Korsaren und politischen Begehrlichkeiten der herrschenden Klasse. Das alles wird wieder mit reichlich, stellenweise fast schon splattermäßiger, Brutalität und viel sexuellem Begehren inklusive der Titel gebenden Drachen bildgewaltig und opulent in Szene gesetzt. Dabei überzeugt die Serie wie schon der Vorgänger durch sein detailliertes und stimmiges Erschaffen neuer Welten.

Derzeit gibt es bei den Streamingdiensten einen wahren Hype an aufwendig produzierten Fantasy-Serien, die auf mehrere Staffeln angelegt sind und als hoch budgetierte Serien-Flakschiffe mit hohem Werbeaufwand im härter werdenden Konkurrenzkampf Abo-Kunden ziehen sollen. Bei Amazon läuft dieser Tage ebenfalls ein Prequel zu »Herr der Ringe« an und Netflix wird mit seiner Adaption der angeblich nicht verfilmbaren Fantasy-Kult-Comicreihe »Sandman« lobend durch alle Feuilletons gereicht.

Dabei fällt auf, wie wenig fantastisch und magisch George R.R. Martins Mittelalter-Parallelwelt im Vergleich zu anderen Genre-Erzählungen ist. Es gibt zwar Drachen und einen überaus komplexen Kosmos inklusive kolonialer Eroberungen, riesiger Migrationsströme und magischer Gestalten und mythischer Gefahren in ferner Vergangenheit, aber Zauberei an jeder Ecke, Ausflüge eines Halbgottes in die Unterwelt wie bei »Sandman« und Dämonenarmeen, die alle zehn Minuten durchs Bild laufen wie in »Herr der Ringe«, sucht man hier vergeblich. Weniger ist eben manchmal mehr, jedenfalls ist das auch das Fantasy-Credo George R.R. Martins, dessen fiktive Welt seine Faszination vor allem aus der mitunter ungewöhnlichen Erzählweise zieht, bei der Hauptfiguren früh sterben und trotz einer archaisch wirkenden Gesellschaft ganz emanzipatorisch um Geschlechterfragen gekämpft wird.

Das Mittelalter, das seit ziemlich genau 200 Jahren, literaturgeschichtlich beginnend mit Walter Scotts Roman »Ivanhoe« (1820) eine basale Quelle des historischen Romans ist, dient auch einem postmodernen Fantastik-Autor wie George R.R. Martin als Folie, auf der er eine Geschichte voll zeitgenössischer Bezüge entwickelt, die sich außerdem als erfolgreiche filmische Erzählung umsetzen lässt. Wobei das ausgehende Mittelalter auch in der Serie »Becoming Elizabeth« (Starzplay) und im feministischen »New-York-Times«-Bestseller-Roman »Matrix« von Lauren Groff (Claasen-Verlag – erscheint am 1.9.) als Hintergrund dient, um die bisher wenig oder kaum repräsentierten biografischen Aspekte weiblicher historischer Akteurinnen aus einer vergangenen Zeit zu erzählen.

Mit der dumpfen Mittelalter-Brauchtums-Begeisterung im Kirmes-Format haben diese gesellschaftskritischen Narrative nichts zu tun. Das gilt auch für »House of the Dragon«, das mit seinen vielschichtigen Charakteren und der komplexen Geschichte einen enormen erzählerischen Sog entwickelt.

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