- Politik
- Gender Pay Gap
Skandinavien als Vorbild
Eine Konferenz lotet aus, wie die Bezahlungs- und Sorgelücke zwischen den Geschlechtern geschlossen werden kann
88 Cent verdienen Frauen durchschnittlich im europäischen Vergleich für jeden Euro, den ein Mann verdient. Mit deprimierenden Zahlen startete die Konferenz »Equal Care & Equal Pay – Höchste Zeit, die Lücken zu schließen«, ausgerichtet von Friedrich-Ebert-Stiftung und UN Women am Mittwochnachmittag. Hochrangige Grußworte kamen per Videobotschaft von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Islands Präsidenten Guðni Th. Jóhannesson. Alle waren sich einig: So kann es nicht weitergehen. Doch es ist immer leicht, sich für eine Sache auszusprechen. Etwas anderes ist es, wirklich etwas an den politischen Rahmenbedingungen zu verändern.
Die Problemanalyse ist weitestgehend gelungen. »Der Gender Pay Gap und der Gender Care Gap sind zwei Seiten derselben Medaille«, sagte Elke Ferner, Vorsitzende von UN Women. Gerade deshalb ist es so wichtig, sich nicht nur den sogenannten bereinigten Gender Pay Gap anzuschauen. Denn die Lohnlücke entsteht nicht nur durch ungleiche Bezahlung gleichwertiger Arbeit. Sie entsteht auch dadurch, dass Frauen weniger arbeiten, um unbezahlte Sorgearbeit zu leisten, um Kinder zu gebären und diese aufzuziehen, und dann in der Folge weniger Rente zur Verfügung haben. Zudem sind Frauen in Branchen überrepräsentiert, die schlechter bezahlt werden, zum Beispiel im Dienstleistungs- und Pflegesektor. Noch schlechter sieht es für migrantische und rassifizierte Frauen aus. »Sie erleben häufig Stress und Diskriminierung, schlechte Arbeitsbedingungen und eine schlechtere soziale Absicherung«, sagte Chidi King von der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) der Vereinten Nationen.
Als positives Beispiel der Geschlechtergerechtigkeit wurden immer wieder die skandinavischen Länder herangezogen. »Die Einführung der Individualbesteuerung in den 70ern hat die Beteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt beeindruckend erhöht, begleitet von guter und erschwinglicher Kinderbetreuung«, sagt Therese Svanström, Vorsitzende des schwedischen Gewerkschaftsverbands. Und in Island gleicht sich die Lohnlücke schneller an als anderswo, weil es Sanktionsmöglichkeiten für ungleich bezahlende Unternehmen gibt. In Deutschland gibt es mit dem Entgelttransparenzgesetz zwar bessere Klagemöglichkeiten. Aber hier müssen die Frauen beweisen, dass sie ungleich bezahlt werden. »Stattdessen könnte man einführen, dass Unternehmen beweisen müssen, dass sie vergleichbare Arbeit gleich bezahlen«, sagte Henrike von Platen, Wirtschaftsexpertin und Gründerin von Fair Pay Innovation Lab.
In der nachfolgenden Diskussion mit Frauenministerin Lisa Paus (Grüne) und Jutta Allmendinger, Präsidentin des Wissenschaftszentrums für Sozialforschung, wurden Forderungen der Anwesenden zu Equal Care, Equal Pay und der Beteiligung von Männern diskutiert. Relativ einig war man sich darin, dass es mehr Anreize für Männer brauche, um mehr Sorgearbeit zu übernehmen – Stichwort Elternzeit –, und weniger negative finanzielle Anreize, die dafür sorgten, dass Frauen eher zu Hause blieben und weniger Lohnarbeit machten – Stichwort Ehegattensplitting und Minijobs. Weniger einig war man sich darin, ob die Elternzeit verpflichtend 50:50 aufgeteilt werden sollte, das heißt vom 12:2-Modell zum 7:7-Modell, und darin, ob Vollzeitarbeit für alle das Ziel sein sollte oder vielmehr eine erhöhte Teilzeittätigkeit. Allmendinger appellierte an die Betriebe, Väter zu ermutigen, Elternzeit zu nehmen.
Familienministerin Paus kritisierte eine Forderung der Wirtschaft und des ehemaligen Vorsitzenden der Sozialdemokraten, Sigmar Gabriel, nach der 42-Stunden-Woche: »Das Stresslevel unserer Gesellschaft ist schon ausreichend hoch. Wir müssen Partnerschaftlichkeit ermöglichen.« Sie erinnerte daran, dass sie die zweiwöchige Freistellung des zweiten Elternteils direkt nach der Geburt einführen wolle. Sie gab jedoch zu, dass der Koalitionsvertrag hinter ihren eigenen Wünschen zurückbleibe. »Ich bin in meine Partei eingetreten, weil ich das Ehegattensplitting abschaffen will«, sagte sie. Bis dieser Wunsch sich erfüllt, könnte es allerdings noch länger dauern.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.