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Teuer, woke und konservativ

Mit der Prequel-Serie »Die Ringe der Macht« wird Tolkiens Fantasy-Opus bombastisch fortgeschrieben

  • Florian Schmid
  • Lesedauer: 4 Min.
Galadriel (Morfydd Clark), schön und weiß im Kampf gegen das Böse (weniger schön und finster).
Galadriel (Morfydd Clark), schön und weiß im Kampf gegen das Böse (weniger schön und finster).

Da ist sie also endlich online im Stream, die teuerste Fernsehserie aller Zeiten. Seit mehr als einem Jahr jagt Amazon-Prime schon Videoschnipsel via Youtube durchs Netz, um die »Der Herr der Ringe«-Prequel-Serie »Die Ringe der Macht« zu bewerben. Der erzeugte Hype wirkt und die zahlreichen Tolkien-, Mittelerde- und Hobbit-Fans sind samt und sonders aus dem Häuschen.

Kein Wunder also, dass die ersten beiden Folgen am ersten Tag der Serien-Veröffentlichung von mehr als 25 Millionen Zuschauern gesehen wurden. Ein absoluter Rekord, wie Amazon verkündet. Die Serie hat sich der Konzern, mit dem die Gewerkschaft Verdi seit Jahr und Tag im Clinch liegt, doch endlich die Tarifverträge des Einzel- und Versandhandels für seine Mitarbeiter anzuerkennen, ganz schön was kosten lassen: 750 Millionen Dollar sollen für die acht etwa einstündigen Folgen laut »Wall Street Journal« insgesamt ausgegeben worden sein. Neben 500 Millionen für die Produktion entfielen noch einmal 250 Millionen Dollar auf den Erwerb der Rechte von den Verwaltern des literarischen Erbes, der Tolkien-Estate, die sich in einem Bieterverfahren der großen Streamingdienste den Nachlass an dem Fantasy-Werk im wahrsten Sinn des Wortes vergolden ließen.

Damit dürfte für Amazon aber das ausgegebene Ziel, eine Milliarde Euro für alle fünf geplanten Staffeln auszugeben, eher überschritten werden. Kostentechnisch erinnern »Die Ringe der Macht« damit ein wenig an diverse Bauvorhaben von Stuttgart 21 bis BER, die schon im Anlauf die Kostengrenzen sprengten.

Dabei liegt dieser Serie, die einige Tausend Jahre vor »Der Herr der Ringe« im sogenannten zweiten Zeitalter von Mittelerde angesiedelt ist (nur für diesen fiktionalen Zeitraum wurden die Rechte erworben), keine wirkliche literarische Vorlage zugrunde. Ein Autoren-Team durfte mehr oder weniger frei nach Motiven Tolkiens, die in »Der Herr der Ringe« zusammenfassend als Hintergrund beziehungsweise Vorgeschichte erzählt werden, einen Plot entwickeln, musste dabei aber auch zahlreiche Auflagen beachten.

Herausgekommen ist eine durchaus spannend inszenierte Geschichte miteinander verwobener Handlungsstränge, die nach dem altbekannten Spannungs- und Erzähl-Muster funktioniert, sich aber absolut sehen lassen kann. Das hat auch damit zu tun, dass diese Tolkiensche Welt sehr detailfreudig und bildgewaltig ausgestaltet wurde. Mit dabei sind auch drei Figuren aus dem Klassiker »Der Herr der Ringe«, nämlich die nicht alternden Elben Galadriel und Elrond, die hier noch ein ganzes Stück jünger bereits gegen das personifizierte Böse, nämlich Sauron kämpfen, der als mehrere Meter großer Fiesling mit langem Umhang inmitten einer Horde meuchelnder Orks zu sehen ist.

Ob die wirklichen Tolkien-Fans dieses filmische Opus als würdige Fortschreibung des wohl bekanntesten Fantasy-Werks der Literaturgeschichte schätzen, bleibt noch abzuwarten. Die Reaktionen in sozialen Medien sind aber bisher durch die Bank positiv. Wobei sich Regisseur Peter Jackson auch in den Hobbit-Verfilmungen (2012–2014) schon etwas weiter von der literarischen Vorlage löste und einige tragende weibliche Charaktere einbaute, die es bei Tolkien nicht gab.

Das ist auch in »Die Ringe der Macht« so, wo es Elben, Zwerge und subsistenzwirtschaftlich lebende Hobbits gibt, die nicht weiß sind. Und auch mehrere weibliche Charaktere, allen voran die Elbe Galadriel (die übrigens eine Erfindung Tolkiens ist), verleihen der Serie einen woken, zeitgemäßen Anstrich. Das nur als aufgesetzt zu kritisieren, greift etwas zu kurz. Denn in zahlreichen fantastischen Stoffen aus der Mitte des 20. Jahrhunderts (von Asimov bis Tolkien) kommen kaum oder gar keine weiblichen und nur weiße Charaktere vor. Eine zeitgemäße Adaption dieser Stoffe ist wünschenswert.

Dennoch kommt in »Die Ringe der Macht« – auch wenn Tolkien nur bedingt der Autor ist – sein konservatives Weltbild durch. Denn bei Tolkien gibt es nicht nur eine geradezu reaktionäre Verherrlichung des einfachen ländlichen Lebens, es kämpfen auch immer wieder schöne, zumeist weiße Menschen, die in den finsteren, vom Krieg heimgesuchten Osten ziehen, gegen monsterartige Wesen, die ohne jede Persönlichkeit auskommen und mit der integren moralischen Attitüde, fürs Gute zu kämpfen, exterminatorisch hingeschlachtet werden dürfen. Dementsprechend schwingen auch hier immer wieder blonde Helden, knietief im Blut gigantischer Schlachtfelder stehend, in der blitzblanken Rüstung ihre Schwerter.

Auch wenn Tolkiens Mitte der 1950er Jahre erschienene, mit christlichen Verweisen gespickte »Der Herr der Ringe«-Trilogie einigen Generationen sogar als antifaschistisches Narrativ galt, in dem gute Helden gegen die dunkle Bedrohung (des Faschismus?) kämpften, geht Tolkiens Werk mit dem heutigen Werkzeugkasten der Rassismus- und Ideologiekritik kaum mehr als emanzipatorische Erzählung durch. Ob »Die Ringe der Macht« das angestaubte literarische Erbe Tolkiens mit fortlaufender Erzählung dann doch ein wenig aufpeppen, bleibt abzuwarten.

Jeden Freitag eine neue Folge verfügbar auf Amazon-Prime.

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