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Kind ist nicht gleich Kind
Auch in Deutschland macht es einen großen Unterschied für Mädchen und Jungen, ob sie hier oder in einem anderen Land geboren wurden
Viele der in Deutschland lebenden Kinder und Jugendlichen sind einst mit ihren Eltern hierher geflüchtet oder »illegal« eingereist. Und obwohl sie oft den größten Teil ihres Lebens hier verbracht haben, wird ihnen oft jegliche Perspektive in diesem Land verwehrt. Der Grund: Sie leben mit dem Status der Duldung, weil die Anträge auf Asyl, die ihre Familien gestellt haben, abgelehnt wurden.
Während die meisten Jugendlichen hierzulande den 18. und damit das Erreichen der Volljährigkeit mit einem großen Fest begehen, wartet auf diese jungen Menschen ein Geburtstagsgeschenk der anderen Art: Sie bekommen nicht selten eine Aufforderung zur »freiwilligen Ausreise«, verbunden mit der Androhung der Abschiebung, sollten sie dem nicht Folge leisten. Dies, obwohl sie hier aufgewachsen sind, die deutsche Sprache perfekt beherrschen, ihre Freunde hier haben und ihr Herkunftsland seit ihrer Ankunft in Deutschland in der Regel nicht mehr gesehen haben. Denn auch ausreisen dürfen sie mit dem Duldungsstatus nicht.
Viele Jugendliche haben ihre Angehörigen nicht einmal um sich. Sie sind allein in die Bundesrepublik gelangt und haben ihre Brüder und Schwestern, oft auch ihre Eltern teilweise seit Jahren nicht gesehen. Daran, dass die Ampelkoalition in ihrem Koalitionsvertrag versprochen hat, hier etwas zu ändern und diesen jungen Menschen zu ermöglichen, mindestens ihre Geschwister nachzuholen, erinnern anlässlich des Weltkindertages am Montag mehr als 20 Organisationen in einer gemeinsamen Erklärung.
»Wir erwarten, dass die Bundesregierung ihren Versprechungen zur Verwirklichung des Grundrechts auf Familienleben für Geflüchtete oberste Priorität einräumt«, erklärte Beat Wehrle, Vorstandssprecher des Kinderhilfswerk terre des hommes (tdh), das zu den Initiatoren des Appells gehört. »Damit würde die Regierung passend zum Weltkindertag signalisieren, dass ihr das Wohl und die Rechte von Flüchtlingskindern ein Anliegen sind«. Die Trennung von engsten Bezugspersonen sei für viele Kinder und Jugendliche eine starke psychische Belastung, die negative Folgen für ihre weitere Entwicklung haben könne. »Sowohl das Völkerrecht als auch das Grundgesetz verpflichten Deutschland dazu, das Recht auf Familie zu schützen und das Kindeswohl vorrangig zu berücksichtigen«, sagte Sophia Eckert, Referentin für Flucht und Migration bei tdh. Sie erinnerte daran, dass Geschwister zur »Kernfamilie« gehören. Zudem stehe das »Verhältnis von Geschwistern« im deutschen Familienrecht unter einen besonderen rechtlichen Schutz.
In der Erklärung, die neben tdh unter anderem von Caritas und Diakonie, von Paritätischem Gesamtverband und Arbeiterwohlfahrt, von Amnesty International, dem Deutschen Roten Kreuz, mehreren Kinderhilfswerken und verschiedenen Juristenvereinigungen unterzeichnet ist, wird zudem gefordert, endlich das Vorhaben umzusetzen, auch Kindern von nach Deutschland geflüchteten Erwachsenen den Nachzug zu gewähren, die nach der Einreise der Eltern in die Bundesrepublik volljährig geworden sind. Bislang wird ihnen das verwehrt.
Weiter verlangen die Organisationen, endlich den Rechtsanspruch subsidiär Schutzberechtigter auf Familienzusammenführung wiederherzustellen. Diesen Status haben die meisten Geflüchteten aus Syrien und viele andere Kriegsflüchtlinge. Die Große Koalition setzte das Recht auf Familiennachzug für diese Gruppe Geflüchteter 2016 aus. Seit 2018 wird nur 1000 Menschen monatlich im Rahmen der Familienzusammenführung die Einreise nach Deutschland gewährt, die Genehmigungsverfahren dauern meist viele Jahre. Die Organisationen fordern deshalb den Abbau administrativer Hürden bei der Beantragung von Visa sowie die Begrenzung der Wartezeiten hierfür in deutschen Auslandsvertretungen auf drei Monate. Außerdem verlangen sie, dass nachziehende Angehörige künftig nicht mehr bereits vor ihrer Einreise Deutschkenntnisse nachweisen müssen.
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