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Irreversible Folgen des Klimawandels
Treibhausgas-Konzentrationen wirken länger nach. Frühzeitiges Gegensteuern ist deshalb entscheidend
Die globalen Anstrengungen gegen den Klimawandel haben zwar an Fahrt aufgenommen, sind aber immer noch unzureichend. Das belegt nicht zuletzt der 6. Sachstandsbericht des Weltklimarates IPCC, der 2021/2022 in mehreren Teilen erschienen ist. Einen wichtigen Punkt hieraus, der medial wenig Aufmerksamkeit erhalten hat, hat ein Forschungsteam aus Südkorea und den USA nun in einer neuen Studie im Fachblatt »Nature Climate Change« deutlich herausgearbeitet: Viele klimatische Änderungen sind nicht reversibel.
Das heißt, selbst wenn wir die Treibhausgas-Emissionen wie geplant bis Mitte des Jahrhunderts auf null senken und es sogar schaffen, danach negative Emissionen zu erreichen und die Treibhausgas-Konzentration wieder auf ein früheres, niedrigeres Niveau zu senken, wird die Natur nicht in den Zustand aus dieser früheren Zeit zurückkehren. Durch die Klimaerwärmung werden zahlreiche Prozesse in Gang gesetzt, die dem physikalischen Prozess der Hysterese entsprechen. Das einfachste Beispiel für eine solche Hysterese ist ein Stück Eisen, das durch ein äußeres Magnetfeld magnetisiert wird. Schaltet man das äußere Magnetfeld wieder ab, bleibt das Eisen magnetisch und kehrt nicht in seinen Ausgangszustand zurück.
Die südkoreanischen Forscher haben nun mehrere Prozesse identifizieren und quantifizieren können, bei denen das globale Klimasystem ähnliche Abhängigkeiten von seiner Vorgeschichte aufweist. Hierzu haben sie ein Modell aufgestellt, bei dem der Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre schrittweise über Jahrzehnte auf das Vierfache des Wertes von 1999 ansteigt und anschließend langsam wieder absinkt. Dann haben sie mit einer detaillierten Computersimulation eine Reihe wichtiger klimatischer Prozesse untersucht, die auf steigende und sinkende Treibhausgas-Konzentrationen in unterschiedlicher Weise reagieren.
Dazu gehörten Meeresströmungen in den Ozeanen sowie die großen Zirkumpolarströmungen. Außerdem untersuchten die Forscher den Einfluss steigender Temperaturen auf die Eisbedeckung der Erde – vor allem die mächtigen Eisschilde in der Antarktis und auf Grönland, aber auch das arktische und antarktische Meereis sowie die Gletscher der Hochgebirge. Ein bereits gut bekanntes irreversibles Klimaphänomen ist das Abschmelzen des Eisschildes auf Grönland, des zweitgrößten nach demjenigen der Antarktis. In den letzten Eiszeiten ist diese Eiskappe im Zentrum auf bis zu über drei Kilometern Höhe angewachsen. Wenn dieses Eis durch den Klimawandel abtaut und an Höhe verliert, gerät seine Oberfläche in immer tiefere und wärmere Lagen, sodass das verbleibende Eis noch schneller schmilzt. Selbst starker Schneefall kann diese Verluste dann nicht mehr ausgleichen. Irgendwann ist der Erdboden erreicht, der anders als Eis kaum Sonnenlicht zurück ins Weltall reflektiert, sondern sich weiter erwärmt. Selbst wenn die Treibhausgas-Konzentrationen auf vorindustrielles Niveau absinken, würde der Eisschild dann nicht wieder wachsen. Dafür bräuchte es eine neue Eiszeit – ein klassischer Hysterese-Effekt.
In den Simulationen der Wissenschaftler zeigten sich solche Effekte über Jahrhunderte, und zwar auch dann, wenn die Treibhausgas-Konzentrationen schon lange wieder auf das Anfangsniveau gesunken waren. Auf insgesamt 89 Prozent der Erdoberfläche änderten sich die Temperaturen und auf 58 Prozent die Niederschlagsmuster irreversibel. Dabei waren allerdings nicht alle Weltregionen gleichermaßen betroffen.
Da die Hysterese-Effekte stark mit dem Wasserhaushalt und der Eisbedeckung zusammenhängen, sind die irreversiblen Auswirkungen am stärksten auf den Ozeanen, in der Arktis und Antarktis sowie in niederschlagsreichen Regionen. In Regionen mit stark kontinentalem Klima wie Nordamerika, Sibirien und Zentralasien sowie in ausgedehnten Wüstengebieten wie in der Sahara oder in Australien sind die Hysterese-Effekte geringer. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Klimawandel in diesen Regionen keinen großen Schaden anrichten kann! Aber es bedeutet, dass das Klima dort leichter zu früheren Bedingungen zurückkehren kann, wenn die Treibhausgas-Konzentrationen wieder sinken. Im globalen Mittel würden sich nach dieser Simulation die Temperaturen ungefähr ein Grad über dem Stand von 1999 einpendeln. Der Niederschlag wäre ebenfalls spürbar gestiegen – mit entsprechend erhöhter Gefahr für Starkregen und Überschwemmungen. Auch der artenreiche tropische Regenwald kann von veränderten Niederschlagsmustern stark betroffen sein. Und gerade in weniger entwickelten Regionen wie der Sahelzone, in Südamerika und in Südasien dürften die irreversiblen Effekte über Jahrhunderte erhalten bleiben.
Wie diese Analyse zeigt, ist es deshalb nötig, einer weiteren Erhöhung der Treibhausgas-Konzentration in der Atmosphäre frühzeitig entgegenzuwirken. Die Vorstellung, es werde sich schon alles von selbst wieder einpendeln, wenn wir die heute produzierten Treibhausgase irgendwann in der Zukunft durch Aufforstung oder Sequestrationsverfahren wieder aus der Luft holen, ist falsch. In vielen Bereichen der Natur – und insbesondere auch beim eng mit dem Klimawandel verknüpften Artenschutz – spielen irreversible Prozesse eine entscheidende Rolle. Es ist ein wichtiges Verdienst der neuen Studie, diese Effekte beim Klimawandel eindeutig belegt zu haben.
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