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- Europas extreme Rechte
Gefährliche Koalitionen
Der Wahlsieg der rechtsextremen Fratelli d’Italia wird das Kräfteverhältnis in der EU weiter verschieben
Ihr Europa-Programm hat Giorgia Meloni wenige Tage vor der italienischen Parlamentswahl in Italien noch einmal bekräftigt: »Der Spaß ist vorbei«, drohte die Chefin der rechtsextremen Partei Fratelli d’Italia Richtung Brüssel. Auch Italien werde nun seine nationalen Interessen verteidigen. Schließlich machten das die anderen EU-Staaten auch, meinte Meloni, die nach dem Sieg des von ihr geführten Rechtsbündnisses Regierungschefin in Rom werden wird.
Europafeindlichkeit ist seit jeher Markenzeichen praktisch aller rechten Parteien in der EU – und diese Kräfte finden sich inzwischen in fast allen Mitgliedsstaaten. »Es gibt einen Trend der Stärkung rechtsradikaler neofaschistischer Parteien in ganz Europa«, schätzt Walter Baier ein, der lange Zeit der linken Denkfabrik »Transform! Europe« vorstand und die Entwicklung der Parteienlandschaft in Europa intensiv verfolgt. Dabei stellen die Rechtsparteien die Existenz der EU nicht generell infrage, wenngleich sie eine oft nicht näher konkretisierte Bevormundung durch das »Bürokratiemonster EU« monieren. Die wichtigste inhaltliche Klammer der Rechtsparteien ist die Ablehnung der Migrations- und Asylpolitik der EU, die den Rechtsauslegern als zu weich erscheint und die stärker auf Abschottung und Abschiebung setzen müsse. Auch Meloni geht in diesem Politikbereich auf Konfrontationskurs mit der EU. Im Wahlkampf kündigte sie an, hart gegen Migrant*innen vorzugehen, die über das Mittelmeer kommen.
Mit der Ablehnung von Einwanderung und Rufen nach Verschärfung des Asylrechts ist die parteipolitische extreme Rechte in Europa groß geworden. Vorreiter war in dieser Richtung der Rassemblement National (früher Front National) in Frankreich, der in der kommenden Woche seinen 50. Geburtstag begeht und deren Chefin Marine Le Pen fast schon regelmäßig in der Stichwahl um das Präsidentenamt steht. Aber nicht nur Rechtskräfte in den Mittelmeerstaaten reiten erfolgreich auf dieser Welle, auch skandinavische Parteien wie die Schwedendemokraten oder die Wahren Finnen. Dass die Rechtsparteien mit ihrem Kurs, »Ausländer« zu Sündenböcken für die Verwerfungen des Neoliberalismus zu machen, an Zustimmung gewinnen, hat dabei europaweit die gleichen Ursachen. Baier sieht drei Hauptfaktoren: »Der erste ist die soziale Verunsicherung der Mittelschicht.« Zweiter Faktor seien Wahlenthaltungen, da große Teile der Bevölkerung das Vertrauen in das parlamentarische System verloren hätten. Das dritte Element schließlich sieht Baier in der Normalisierung des rechtsradikalen Diskurses: »Der Rechtsradikalismus wird akzeptiert als Teil des normalen gesellschaftlichen Spektrums.«
Obgleich Entstehung und Erstarken europäischer Rechtsparteien die gleichen Wurzeln haben, ist deren Zusammenarbeit über Ländergrenzen immer wieder fehlgeschlagen. Der letzte symbolträchtige Auftritt datiert vom Dezember 2021. In Warschau hatten sich unter anderem der polnische PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski, Ungarns Premier Viktor Orbán, Marine Le Pen und der spanische Vox-Chef Santiago Abascal eingefunden, um eine engere Kooperation im Europaparlament und eine Absprache bei Abstimmungen zu vereinbaren. Zu mehr reichte es nicht, geschweige denn zur Bildung einer Allianz.
Überraschend ist das nicht. Es sei ja wohl ein paradoxes Projekt, eine Internationale der Nationalisten zu bilden, sagt Baier. Auch ist das Spektrum der Rechtsparteien, sprich deren Radikalisierungsgrad, sehr breit. Er reicht von der offen faschistischen Goldenen Morgenröte in Griechenland über die parlamentarisch verankerte AfD in Deutschland bis zu Fidesz (Ungarn) oder FPÖ (Österreich), die auch im bürgerlichen Milieu verwurzelt sind und Regierungsverantwortung haben oder hatten. Vor allem aber geht es ums Geld – aus den EU-Töpfen. Und da hört bei den Rechten ebenfalls die Freundschaft auf. Während beispielsweise Wahre Finnen und Schwedendemokraten mit der Forderung auftraten, mit EU-Mitteln nicht weiter die Habenichtse zu alimentieren, ist Italien auf die etwa 200 Milliarden Euro aus dem Wiederaufbaufonds angewiesen.
Ohnehin liegt die Gefahr für Europa weniger in einem Bündnis rechter Parteien, als vielmehr in deren Einfluss auf die EU über den europäischen Rat. Dieses Gremium der Regierungen ist nach wie vor das letztlich entscheidende. Der Rat fungiert de facto als Gesetzgeber der EU, er bestimmt die Leitlinien der Politik und koordiniert sie. Für die Annahme von Beschlüssen ist eine qualifizierte Mehrheit nötig, das heißt, 15 Länder, die zugleich mindestens 65 Prozent der EU-Gesamtbevölkerung repräsentieren, müssen dafür stimmen. Um einen Beschluss zu verhindern, reichen vier Länder mit 35 Prozent der EU-Gesamtbevölkerung.
Schon heute können Staaten mit Rechtsregierungen über die Koordinierung und Entscheidungsverfahren im europäischen Rat die gesamte EU-Politik prägen. Mit dem bevölkerungsstarken Italien wird nun der rechte Flügel im Rat weiter gestärkt. Die Politik-Professorin Daniela Braun, die sich an der Universität des Saarlandes mit Europafragen beschäftigt, sieht denn auch einen »schleichenden Wandel« in der EU: »Rechte Positionen werden die europäische Politik in den nächsten Jahren in irgendeiner Form beeinflussen – durch eine Vielzahl von Wahlen, nicht nur in Italien.«
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