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Diplomatisches Ringen
In mehreren Städten demonstrierten Menschen für Frieden und gegen Aufrüstung in Deutschland
Das prognostizierte Regenwetter hatte bei den Initiatoren des dezentralen Aktionstages für Frieden für Befürchtungen gesorgt. Und tatsächlich mögen die äußeren Umstände dazu beigetragen haben, dass die Teilnahme an den Aktionen insgesamt mäßig ausfiel. Dennoch zog der Bundesausschuss Friedensratschlag am Montag eine positive Bilanz. Nach Angaben von Willi van Ooyen und Angelika Wilmen gab es rund 30 Veranstaltungen bundesweit, die sich »insbesondere gegen den Krieg in der Ukraine« richteten und auf denen vor allem eine »Umwidmung« des neuen Sondervermögens für die Bundeswehr zugunsten einer »sozialen, gerechten und ökologischen Friedenspolitik« gefordert wurden. Rednerinnen und Redner regionaler und bundesweiter Initiativen, aus Gewerkschaften und der Linkspartei forderten einen Stopp der Waffenlieferungen an die Ukraine und mehr diplomatische Bemühungen zur Beendigung des Krieges.
Insgesamt beteiligten sich demnach bundesweit an die 5000 Menschen an den Veranstaltungen in Berlin, Frankfurt am Main und Kassel, Hamburg, Köln, München, Stuttgart und in etlichen anderen Städten. Die größte war die Demo am Samstag in Hamburg mit nach Veranstalterangaben 1500 Teilnehmenden. Sie versammelten sich am Samstagmittag am Bahnhof Altona, um für »Frieden mit Russland statt weiter in den dritten Weltkrieg« zu marschieren, wie es auf einem Transparent hieß. Um der realen Gefahr eines Atomkriegs begegnen zu können, müsse dieses Land jetzt »aufgeweckt«, ein Kurs der kooperativen Beziehungen zu Russland und der Abrüstung »erzwungen« werden, so der dramatische Appell von Reiner Braun, einem Urgestein der deutschen Friedensbewegung. »Die Mehrheit der Staaten dieser Welt ist friedenswillig, selbst wenn das unsere Nato-Fürsten und Herr Scholz und Frau Baerbock nicht so sehen.« Auch Ralph Urban von den Internationalen Ärzten gegen den Atomkrieg (IPPNW) klagte eine deutsche Außenpolitik an, die »Friedensgespräche ausschlägt und nur auf einen Sieg der Ukraine setzt«.
Die Kernforderungen der Demonstranten, unter ihnen Mitglieder der Partei Die Linke, ihres Jugendverbands Solid, der DKP, von Verdi und anderen Gewerkschaften: keine Waffenlieferungen in Kriegsgebiete, keine Bundeswehreinsätze im Ausland, 100 Milliarden Euro für Soziales, Umwelt, Gesundheit und Bildung statt für Aufrüstung sowie die Inbetriebnahme der Erdgaspipeline Nord Stream 2 – die vorerst durch einen Anschlag vereitelt wurde. Einige Demonstranten verlangten auf Bannern den Austritt Deutschlands aus der Nato.
Die meisten Redner formulierten auch eine grundsätzliche Kritik an der Sanktionspolitik der Bundesregierung. »Sie führt nicht nur einen Krieg mit Waffen gegen Russland, sondern auch einen Wirtschaftskrieg gegen die eigene Bevölkerung«, sagte Angelika Traversin von der Mieterinitiative Dulsberg. Insbesondere ärmere Menschen litten massiv unter den drastisch erhöhten Energiepreisen, der ansteigenden Inflation und anderen Zumutungen.
Aufgerufen zu der dreistündigen Kundgebung und Demonstration, die auf dem Fischmarkt in St. Pauli endete, hatte das Hamburger Forum für Völkerverständigung und weltweite Abrüstung, das die völkerrechtswidrige Invasion Russlands in die Ukraine verurteilt, aber eine erhebliche Mitverantwortung der Nato sieht.
Unterdessen prangerten knapp 40 in ukrainische Nationalfahnen gehüllte Personen auf einer Gegenkundgebung lautstark Russland als »Heimatland des Nazismus« an und behaupteten: »Deutsche Waffen stoppen den Genozid.« Derartige Provokationen wurden von den Friedensmarschierern ignoriert. Besorgt zeigten sie sich aber über die Diffamierungen ihrer Bewegung als »rechtsoffen« durch Politik und etablierte Medien.
Mit solchen Angriffen solle nicht zuletzt davon abgelenkt werden, »dass die ukrainische Regierung die Opposition im Land unterdrückt und den Nazikollaborateur und Antisemiten Bandera als Nationalhelden feiert«, meint der Sprecher des Hamburger Forums, Markus Gunkel. Bedauerlich sei, dass auch »einige Funktionäre der Linkspartei unser Engagement bekämpfen, statt es zu unterstützen«, ergänzte Andreas Grünwald, Mitorganisator der Demo, später im Gespräch mit »nd« und fügte hinzu: »Sie haben nicht begriffen, dass der Widerstand gegen Krieg, soziale Ausplünderung und eine Sanktionspolitik, die nur unserer Bevölkerung schadet, zusammengehören.« Am 22. Oktober wollen die Kriegsgegner in Hamburg unter dem Motto »Sicheres Leben, Wohnung, Brot und Frieden!« erneut auf die Straße gehen.
In Berlin demonstrierten am 1. Oktober in strömendem Regen nach Veranstalterangaben rund 1200 Menschen gegen die Aufrüstungspolitik der Bundesregierung und gegen Sanktionen, die die Bevölkerung betreffen. Appelle an die russischen Invasoren waren indes nicht zu vernehmen. Derweil versuchten Teilnehmende einer rechtsoffenen Demonstration unter dem Titel »Handwerker für den Frieden« zu der Kundgebung der Friedensbewegung am Neptunbrunnen zu gelangen, was einigen auch gelang. So waren dort zeitweilig auch Russland-Fahnen und Plakate mit Aufschriften wie »Lieber billiges Russen-Gas und Kernenergie statt total verblödete Politiker« zu lesen. Der Bundesausschuss Friedensratschlag teilte indes mit: »Die versuchte Teilnahme rechtsradikaler Organisationen in Berlin konnte durch entschiedenes Auftreten der Veranstalter*innen abgewehrt werden.«
Unterdessen hatte das linke Bündnis »Heizung, Brot und Frieden« für Montag zu seiner zweiten Kundgebung in Berlin aufgerufen, die am Mittag mit einigen Hundert Teilnehmenden am Potsdamer Platz startete. Ins Leben gerufen hatten es unter anderem der ehemalige PDS-Bundestagsabgeordnete Uwe Hiksch, der bei den Naturfreunden aktiv ist, sowie Alexander King von der Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus und Nastja Liedtke vom Bundesvorstand der Sammlungsbewegung »Aufstehen«.
Die einzige Linke-Politikerin, die auf einer Kundgebung im Rahmen des Aktionstages am 1. Oktober als Rednerin auftrat, war Christine Buchholz vom Bundesvorstand der Partei. Die ehemalige Bundestagsabgeordnete sprach in Kassel vor rund 200 Menschen. Sie prangerte die Annexion ukrainischen Staatsgebiets durch Russland, Atomschlagsdrohungen aus dem Kreml und die Teilmobilmachung in Russland als »weitere Stufen der Eskalation in diesem Zermürbungskrieg« an. Russland müsse seine Truppen zurückziehen, forderte sie. Es gehe sowohl Russland als auch dem Westen um geopolitischen Einfluss und wirtschaftliche Interessen. Buchholz erinnerte daran, dass Die Linke auf ihrem Parteitag im Juni beschlossen hatte, Sanktionen abzulehnen, »die die Bevölkerung treffen und die zu Verarmung im globalen Süden führen. Das ist eine Botschaft, die wir viel deutlicher nach außen tragen müssen«, betonte sie.
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