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Größe wird überbewertet
TJ Shorts und Tamit Blatt beweisen, dass auch die Kleinsten Basketballspiele dominieren können
Es gibt zwei Vorurteile, die sich seit Jahrzehnten im Basketball halten, obwohl sie immer wieder widerlegt werden: Es sei ein körperloser Sport, und nur wer groß ist, habe eine Chance. Das mit der Körperlosigkeit hat sich schon vor 50 Jahren erledigt, und jeder, der mal ein Spiel besucht, kann sich davon ein Bild machen, wie 100-Kilo-Berge aufeinanderprallen. Das mit der Größe jedoch muss ja irgendwie stimmen, warum sonst messen die meisten Profis knapp unter oder teils weit über der Zwei-Meter-Marke. Das Pokal-Achtelfinale am Montagabend zwischen den Baskets aus Bonn und Gastgeber Alba Berlin hebelte aber auch dieses Vorurteil aus. Die beiden erfolgreichsten Werfer hießen TJ Shorts (36 Punkte) und Tamir Blatt (23). Der eine ist mit 1,75 Meter der kleinste Basketballer der gesamten Bundesliga (BBL), der andere auch nur drei Zentimeter größer. Es war ein atemberaubendes Duell mitten unter Riesen – mit dem besseren Ende für Blatts Berliner. Alba siegte mit 98:95 und zog ins Viertelfinale ein.
Bonn und Berlin setzen seit Jahren auf Schnelligkeit. Wer den Ball hat, rennt sofort los. Eingeübte Spielzüge sind zweitrangig, es geht um schnelle Bewegungen, schnelle Pässe, schnelle Würfe. Alba hat damit seit Jahren Erfolg, weshalb Spieler wie Blatt immer wieder ihre Chance im System des Titelverteidigers bekommen. Auch Bonns finnischer Trainer Tuomas Iisalo ist Anhänger dieser Spielweise. Wirbelte in der vergangenen Saison noch der 1,80 Meter »große« Parker Jackson-Cartwright für die Baskets durch die Abwehrreihen der Gegner, wurde dieser zur neuen Spielzeit durch den noch mal fünf Zentimeter kleineren Shorts ersetzt. Und ja, der Mann heißt wirklich so.
Solch kleine, explosive Spielmacher aufzuhalten, ist für die übrigen Hünen auf dem Feld extrem schwer: »TJ ist so schnell. Wenn er von einem kleinen Spieler verteidigt wird, kann er hochspringen und über ihn werfen. Und hat er einen großen Mann vor sich, dribbelt er sehr tief an seinen Knien vorbei. Zudem ist er stärker, als er aussieht. Wenn er zum Korb zieht, kann er sich auch durchsetzen«, beschrieb Berlins 30 Zentimeter größerer Nationalspieler Louis Olinde seine undankbare Aufgabe, als er Shorts an diesem Abend stoppen sollte.
Auch wenn das oft nicht gelang, hatte Alba zum Glück in den eigenen Reihen einen Gegenpart. »Ja, TJ und Tamir sind klein. Aber die beiden zeigen immer wieder: Es ist nicht immer nur die Körpergröße, die zählt. TJ macht das mit seiner Athletik wett, Tamir dagegen mit einem unglaublich hohen Basketball-IQ«, lobte Olinde nun auch seinen eigenen Teamkollegen: »Er hat einen sehr guten Wurf und eine große Übersicht.« Berlins Kapitän Luke Sikma fügte noch hinzu: »Die Jungs bringen dich aus dem Gleichgewicht und sehen gleichzeitig die am besten positionierten Mitspieler. Das war ein tolles Duell zwischen TJ und Tamir, in dem keiner nachgeben wollte. Das haben die Fans sicher genossen.«
Tatsächlich hatte Shorts für die Bonner immer wieder einen Vorsprung herausgespielt. Er spielte die Berliner schwindelig und ließ sogar den mit 2,21 Meter längsten Spieler in der BBL, Christ Koumadje, wie ein – zugegeben riesiger – Schuljunge aussehen, als er um ihn herumrannte und aus jeder Position zu treffen schien. Auf der anderen Seite führte dann Blatt mit fünf erfolgreichen Dreipunktwürfen und sieben Vorlagen Alba stets wieder heran. »Wir spielen beide mit viel Herz«, sagte der Israeli, der davon ausgeht, dass genau das auch für Shorts mit der geringen Körperlänge zu tun hat. »Ich musste jeden Tag in meiner Karriere beweisen, dass ich bei den Großen mithalten kann. Leute zweifeln an dir. Aber ich glaube an mich und meine Teamkollegen auch. Das ist das Wichtigste.«
Alba Berlin hat auch kaum noch eine andere Wahl, als auf Blatt zu setzen, denn die Verletztenliste ist lang. Im Kader stehen viele Spieler, die bis kurz vor Saisonbeginn noch mit ihren Nationalmannschaften bei der Europameisterschaft aktiv waren. »Nach den Belastungen der EM verletzen sich jetzt leider viele von ihnen. Das macht es sehr schwierig«, klagte Albas Trainer Israel González nach der Pokalpartie. »Daher bin ich unglaublich froh über diesen Sieg. Wir waren in all den kleinen Dingen besser, in denen der Wille entscheidet. Nur so war der Erfolg überhaupt möglich.«
Seine größte Angst ist, dass es bald auch Tamir Blatt erwischt, denn auch der spielte bei der EM mit. Schon im Euroleague-Spiel am vergangenen Freitag gegen Mailand habe Blatt in der Verlängerung Krämpfe gehabt. Daher stellte González Blatt in der Abwehr auch nicht direkt gegen TJ Shorts auf. »Wir müssen Tamir wenigstens in der Defensive verstecken. Er ist der letzte Spielmacher, der uns geblieben ist.« Den könne er also nicht auch noch den ganzen Abend hinter dem wieselflinken Shorts hinterherrennen lassen.
Trotzdem gestand der 25-jährige Blatt auch nach dem Sieg gegen Bonn, dass er sich »sehr müde« fühle. »Es ist gerade sehr schwer. Uns fehlen fünf wichtige Leute, darunter mit Jayleen Smith und Maodo Lô meine beiden Kollegen auf der Spielmacherposition. Es lastet also gerade viel auf mir, und ich hoffe, dass sie schnell zurückkommen. Aber bis dahin werde ich weiter alles geben für diese Mannschaft.«
Zu allem Überfluss stecken die Berliner auch noch im wohl härtesten Teil der Saison mit fünf Spielen in nur zehn Tagen. Schon an diesem Mittwoch kommt das Team von Panathinaikos Athen zum nächsten Duell, zwei Tage später muss Alba bei Anadolu in Istanbul antreten. »Zum Glück sind das zwei Spiele in der Euroleague, bei denen wir nicht unter Druck stehen, gewinnen zu müssen«, beschloss Coach González den Pokalabend. »Da fällt mir bestimmt was ein, wie ich Tamir etwas schonen kann.«
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