- Politik
- Amtsantritt von Meloni in Italien
Meloni kopiert Trump
Italiens nationalistische Regierung setzt erste politische Akzente. Mit der EU will sie im Geschäft bleiben
Die in Rom akkreditierten Pressevertreter verfolgen stets mit großer Aufmerksamkeit den Wechsel des »Amtsglöckchen« vom scheidenden an den antretenden Premier. Denn die Zeremonie gilt als wichtiger Stimmungsmesser für die politische Spitze in Rom. Die Übergabe des Glöckchens von Mario Draghi an die neue Ministerpräsidentin Giorgia Meloni am Sonntag verlief moderat freundlich. Die erste Frau an der Spitze von Italiens Administration beeilte sich denn auch zu erklären, den Stabilitätskurs Draghis fortsetzen zu wollen – ein weiteres positives Signal der Postfaschistin an Brüssel, wie auch das vorangegangene freundliche Telefonat mit Ursula von der Leyen, der Präsidentin der EU-Kommission. Und überraschend kam es auch keine 24 Stunden nach der Inauguration Melonis zu einem informellen Treffen mit Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron. Anschließend erklärten beide Seiten, Missverständnisse ausgeräumt zu haben.
Auch wenn diese ersten Signale nach dem Machtwechsel in Rom von der EU positiv aufgenommen werden, bleiben dennoch viele Fragen zum begonnenen Kurs der drittgrößten Volkswirtschaft innerhalb der europäischen Gemeinschaft offen. Das ohnehin schon mit fast 3000 Milliarden verschuldete Italien steht – wie alle anderen EU-Mitglieder – vor einer schweren Energie- und Wirtschaftskrise. Die anhaltend hohen beziehungsweise steigenden Rohstoffpreise nicht nur der fossilen Brennstoffe, sondern auch der Ausgangsprodukte für die Industrie, bringen vor allem viele mittelständische Betriebe an ihre Existenzgrenze.
In der Folge müssen die Unternehmen die Verbraucherpreise erhöhen, und dies nicht nur für Industriegüter. Schon jetzt ist im Supermarkt, auf den Märkten und bei den Bäckern ein deutlicher Preisanstieg zu verzeichnen. Eine von Draghi verordnete staatliche Subvention der Energiepreise soll dennoch Schritt für Schritt zurückgefahren werden. Und das von der Fünf-Sterne-Administration eingeführte Bürgergeld soll – wie von Meloni im Wahlkampf angekündigt – eigentlich wieder abgeschafft werden.
Dieses »Reddito di citadinanza« hatte vor allem vielen Arbeitslosen und von Armut Betroffenen das Überleben gesichert. Meloni bezeichnete das Bürgergeld als »vollen Bankrott«, da es den Staat jährlich neun Milliarden Euro koste. Die Androhung einer vollständigen Streichung sorgte im Land für viel Empörung. Einen Tag nach ihrem Amtsantritt beeilte sich die neue Ministerin für Behinderte, Alessandra Locatelli, zu versichern, man denke nicht an eine vollständige Streichung, sondern an moderate Anpassungen. Bekommen sollen das Geld die »wirklich Bedürftigen«, Familien mit behinderten Angehörigen und »Menschen in Not«. Doch wer die italienische Bürokratie kennt, ahnt, mit welchem Aufwand Bedürftigkeitsnachweise zu erbringen und Anträge zu stellen sein werden.
Obwohl die Regierung Meloni auf EU-Gelder dringend angewiesen ist, deuten erste Zeichen auf eine Politik des »Italia first« hin. So wurde das bisherige Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung in »Ministerium für Unternehmen und Made in Italy« umbenannt, eine Bezeichnung, die verdeutlichen soll, dass Rom beabsichtigt, die einheimische Wirtschaft zu protegieren. Das Landwirtschaftsministerium erhielt den neuen Namen »Ministerium für Landwirtschaft und Lebensmittelsouveränität«. Das ließ die linke Opposition fragen, ob künftig keine Bananen und Ananas mehr importiert würden.
Streng konservativ heißt auch das von der ehemaligen Feministin und heutigen militanten Abtreibungsgegnerin Eugenia Roccella geleitete Familienministerium nun »Ministerium für Familie, Geburtenrate und Gleichstellung«. Sein Ziel ist es, die italienische Nation »zu stärken«. Dass Melonis striktes und von ihrem politischen Vorbild Donald Trump abgeschautes »Italia first« in Europa geschluckt wird, sollen zwei in der EU sehr anerkannte Ressortchefs bewerkstelligen. Außenminister Antonio Tajani machte sich als Präsident des Straßburger Parlaments einen Namen und Finanzminister Giancarlo Giorgetti (Lega) diente bereits unter Draghi als Minister für wirtschaftliche Entwicklung. Wie der frühere EZB-Chef ist er ein Wirtschaftsabsolvent der renommierten Mailänder Bocconi-Universität.
Die erste Arbeitswoche des neuen Kabinetts Meloni hat begonnen. Nun wird die ultrarechte Regierung in Rom bald zeigen, wie verlässlich sie als Partner in der EU tatsächlich ist. Auch die eigene Bevölkerung wird sie an ihren Versprechungen messen.
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